Ein Feuer Auf Der Tiefe
anderthalb Tage lang damit gespielt hatte, verstand sie es ziemlich gut, das Ding zu öffnen. Wie immer erschien das Gesicht des Zweibeiners und machte Mundgeräusche. Wie immer wurde Holzschnitzerin für einen Moment von ehrfürchtiger Bewunderung ergriffen, als sie das bewegliche Mosaik sah. Eine Million bunte ›Einzelteile‹ musste absolut synchron auftauchen und sich bewegen, um die Illusion zu erzeugen. Dennoch geschah es jedesmal auf exakt dieselbe Weise. Sie drehte den Bildschirm, sodass Scrupilo und Feilonius ihn sehen konnten.
Yaqueramaphan schob sich an die anderen heran und reckte ein paar Köpfe, um zu schauen. »Du hältst den Kasten immer noch für ein Tier?«, sagte er zu Feilonius. »Vielleicht solltest du ihm Süßigkeiten zu essen geben, damit er uns seine Geheimnisse verrät, hm?« Holzschnitzerin lächelte in sich hinein. Schreiber war kein Pilger, Pilger hängen zu sehr vom guten Willen ab, als dass sie umhergingen und an die Mächtigen Spitzen austeilten.
Feilonius ignorierte ihn einfach. Alle seine Augen waren auf sie gerichtet. »Euer Majestät, nehmt es mir bitte nicht übel. Ich – wir vom Rat – müssen Euch abermals bitten. Dieser Bilderkasten ist zu wichtig, als dass er in den Mündern eines einzigen Rudels bleiben dürfte, selbst eines so großartigen wie Ihr. Bitte. Überlasst es uns anderen, wenigstens, wenn Ihr schlaft.«
»Ich nehme es nicht übel. Wenn ihr darauf besteht, könnt ihr an meinen Untersuchungen teilnehmen. Weiter werde ich nicht gehen.« Sie blickte ihn unschuldig an. Feilonius war ein hervorragender Spionagechef, ein mittelmäßiger Verwaltungsbeamter und ein inkompetenter Wissenschaftler. Vor einem Jahrhundert hätte sie seinesgleichen zur Feldarbeit hinausgeschickt, wenn er überhaupt geblieben wäre. Vor einem Jahrhundert hatte kein Bedarf an Spionagechefs bestanden, und ein Verwalter war genug gewesen. Nun hatten sich die Dinge geändert. Gedankenverloren schnüffelte sie an dem Bilderkasten; vielleicht würden sich die Dinge abermals ändern.
Scrupilo nahm Schreibers Frage ernst. »Ich sehe drei Möglichkeiten, mein Herr. Erstens, dass er Zauberei ist.« Feilonius zuckte von ihm weg. »Wirklich, der Kasten kann unser Verständnis so weit übersteigen, dass er tatsächlich Zauberei ist. Aber das ist die eine Ketzerei, die Holzschnitzerin niemals akzeptiert hat, also werde ich sie höflicherweise ausschließen.« Er warf Holzschnitzerin ein sardonisches Lächeln zu. »Zweitens, dass er ein Tier ist. Ein paar im Rat dachten das, als Schreiber ihn zum ersten Mal sprechen ließ. Aber er sieht wie ein ausgestopftes Kissen aus, sogar bis hin zu der komischen Gestalt, die auf die Seite gestickt ist. Was wichtiger ist: Er reagiert auf äußere Einflüsse in perfekter Wiederholung. Das ist etwas, das ich kenne. Es ist das Verhalten einer Maschine.«
»Das ist deine dritte Möglichkeit?«, sagte Schreiber. »Aber eine Maschine zu sein, heißt, bewegliche Teile zu haben, und außer den…«
Holzschnitzerin winkte mit einem Schwanz ab. Scrupilo konnte stundenlang so weitermachen, und sie sah, dass Schreiber derselbe Typ war. »Ich sage, lasst uns mehr herausfinden, und dann Spekulationen anstellen.« Sie tippte auf die Ecke des Kastens, genauso, wie es Schreiber bei der ersten Vorführung getan hatte. Das Gesicht des Fremden verschwand aus dem Bild, an seiner Stelle erschien ein verwirrendes Farbmuster. Es gab ein Geprassel von Klängen, dann nur noch das Summen in mittlerer Tonlage, das der Kasten immer machte, wenn er offen war. Sie wussten, dass der Kasten hohe Töne hören und dass er mit dem rechteckigen Belag im unteren Teil fühlen konnte. Doch der Belag war an sich eine Art Bildschirm: bestimmte Befehle veränderten das Gitter von Berührungspunkten zu ganz neuen Mustern. Als sie das zum ersten Mal getan hatten, hatte der Kasten keinerlei weitere Befehle angenommen. Feilonius war sicher gewesen, dass sie ›das kleine Fremde getötet‹ hatten. Doch sie hatten den Kasten geschlossen und wieder geöffnet – und er verhielt sich wie eh und je. Holzschnitzerin war sich fast sicher, dass sie das Ding weder durch Sprechen noch durch Berührung in irgendeiner Weise beschädigen konnten.
Holzschnitzerin probierte abermals die bekannten Signale in der üblichen Reihenfolge. Die Ergebnisse waren sichtbar und identisch mit denen beim letzten Mal. Man brauchte aber nur die Reihenfolge irgendwie zu verändern, und die Wirkung war anders. Sie wusste nicht, ob sie
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