Ein Feuerwerk für Matzbach: Baltasar Matzbachs achter Fall (German Edition)
ob dabei noch hin oder schon wieder ist – wer übernimmt die Stallwache, wer geht schlafen, und haben wir noch etwas zu klären?«
Baltasar rekelte sich. »Klären können wir alles weitere morgen, also heute, glaube ich. Haben alle, die etwas wissen, heilige Eide geleistet, bei der verabredeten Fassung zu bleiben?«
»Haben sie«, sagte Yü.
»Haben wir«, sagte Wayne. Sie gähnte. »Das ist aber außer uns dreien nur noch Ruprecht. Der steht um sechs auf.«
Yü seufzte. »Ich habe verstanden. Verschwindet schon; ich übergebe dann nachher an ihn.«
»Ich könnte dich knutschen, bis du schielst«, sagte Matzbach. »Freunde in der Not und so weiter.«
»Knutsch woanders.«
Wayne stand auf und streckte die Hand aus. »Das will ich hoffen.«
Baltasar folgte ihr handzahm treppauf. »Planst du, sofort müde zu sein?« sagte er, als sie die Schlafzimmertür hinter sich geschlossen hatten.
»Hat der Greis etwa noch Absichten?« Sie stemmte die Hände in die Hüften und sah ihn mit schiefgelegtem Kopf an.
»Eine mindere Waschung, eher taktisch denn hygienisch.« Baltasar grinste. »Und kurze Weiterungen. Leibesübungen vor dem Schlummer sollen förderlich sein, hörte ich.«
»Da werd ich ja glatt wieder wach.«
Irgendwie waren später beide zu wach, um einzuschlafen. Wayne stand auf, um die Vorhänge besser zuzuziehen; Morgenlicht und die Randale der Vögel drangen allzu intensiv ein.
»Magst du noch reden?« sagte sie, als sie wieder zum Bett ging.
Baltasar hatte sich auf den Bauch gerollt und sah ihr beim Näherkommen zu. »Bleib doch noch einen Moment so stehen. Gut. Du hast dich um die Erbauung eines alten Mannes verdient gemacht.«
Sie lachte, stieg ins Bett und tätschelte klatschend sein Gesäß. »Unmögliches Geschöpf.«
»Nein; ich bin schlimmstenfalls ein possierliches Getüm. Worüber wolltest du reden?«
»Ich habe das Gefühl, es fehlt noch was.«
»Was denn?«
»Zum Beispiel: Warum hat Fleißner das Kind ausgerechnet in
den
Schacht geworfen?«
»Weil« – Matzbach gluckste – »die unwahrscheinlichen Zufälle immer mit mir sind. Der unwahrscheinlichste liegt ja neben mir. Und weil Fleißner es einigermaßen eilig hatte. Er wollte bei dem Wolkenbruch nicht stundenlang durch den Wald laufen. Der Heppner-Schacht ist der einzige, an den man, wenn man sich auskennt, mit dem Auto ranfahren kann.«
»Es fehlt aber noch etwas.«
»Kluge Frau. Ich hoffe, daß du mir jetzt nicht deine Neigung entziehst.«
»Warum das denn?«
Matzbach langte nach seiner Hose, die als amorpher Knubbel auf dem Boden lag. Er zog das Portemonnaie heraus und entnahm ihm den Smaragdring. Einen Moment zögerte er; dann steckte er ihn auf den sechsten Zeh von Waynes linkem Fuß.
»Iiih, kalt – was ist das?« Sie setzte sich auf und untersuchte das kühle Objekt.
Nach kurzem Schweigen sagte sie leise: »Bennos Klunker, ja? Wo kommt der her?«
»Alles vergeben und vergessen, soll ich dir sagen.«
»Sonst nichts?«
»Nur das.«
»Meine erste große Liebe.« Sie ließ sich zurücksinken, legte den Ring auf ihren Nabel und schaute zur Decke hinauf. »Er hat sein Geburtskaff gehaßt – ich dachte, wenn irgendwo, dann bin ich hier vor ihm sicher. Überhaupt vor meiner Vergangenheit. Woher hast du den Ring?«
Matzbach berichtete, wobei er die Frage von Vogelsangs Identität zunächst beiseite ließ.
»Seine Mutter liegt hier auf dem Friedhof«, sagte Wayne. »Ich habe ihr schon mal Blumen gebracht.«
»Dann weißt du ja auch, daß Helmers, der Pfarrer, Vogelsangs Halbbruder ist, nicht wahr?«
»Mhm. Ich kannte ihn natürlich, von ganz früher. Und als wir uns hier begegnet sind, habe ich ihn gebeten, falls er mit Benno spricht, ihm nichts zu sagen.«
»Große Liebschaft?«
Sie seufzte. »Beiderseits. Dann war es bei mir zu Ende, und er hat die großen Szenen gemacht, bis hin zum angedrohten Selbstmord. Benno war immer der Typ, der sich so was zu Herzen nimmt. Sich verbeißt. Ich wollte auch nach all den Jahren nichts … aufwecken? Aufwühlen? Ach, egal.«
»Wie soll ich dich eigentlich jetzt nennen? Marion?«
»Bleib bei Wayne. Ich konnte ›Marion‹ nie leiden.«
»Wie Ihr wünscht, Holdeste. Ich glaube, wir kriegen jetzt alles zusammen.«
»Laß mal hören.«
»Hat Benno dir erzählt, woher er den Ring hatte?«
Sie schwieg; dann sagte sie: »Kann sein – irgendwo gefunden, ja? Ich weiß es aber nicht mehr genau.«
»Er ist einmal in einen Schacht gefallen und hat sich ein Bein gebrochen. Hat ein
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