Ein feuriger Gentleman: Roman (German Edition)
sofern er sich nicht überanstrengt.«
Dabei warf er Jack einen mahnenden Blick zu, der ihn ausdruckslos erwiderte.
Sie dankte dem Arzt. Jack schüttelte ihm die Hand, und Pringle ging.
Clarice legte sich ihren Abendumhang über die Schultern und nahm ihr Retikül.
»Und jetzt ist es höchste Zeit, dass wir zurück ins Benedict’s fahren.« Damit sie ihre Gedanken und Gefühle mit ihm teilen konnte.
Zu ihrer Überraschung runzelte Jack die Stirn und unternahm keine Anstalten, zur Tür zu gehen.
»Ziemlich viele Leute haben uns heute Abend zusammen gesehen. Und zwar zum wiederholten Mal. Nach letzter Nacht und heute Abend wäre es vielleicht besser, ich bliebe hier. Vermutlich werde ich ohnehin nicht gut schlafen, und Gasthorpe ist eine ausgezeichnete Krankenschwester.«
Sie richtete ihre Augen auf ihn, holte tief Luft und schaffte es nur mit größter Anstrengung, ihre aufwallenden Gefühle unter Kontrolle zu halten.
»Mein lieber Lord Warnefleet, bitte berücksichtige Folgendes: Es gibt nichts auf dieser Erde , das dafür sorgen könnte, dass ich dich aus den Augen lasse. Nicht heute Nacht, nicht in der näheren Zukunft.« Sie holte ganz tief Luft. »Gleichgültig, wie gut Gasthorpes Fertigkeiten im Bereich der Krankenpflege sein mögen, bin ich besser imstande, dich zu pflegen als er. Und wenn du Schwierigkeiten mit dem Schlafen hast, bin ich mir sicher, dass ich in der Lage sein werde, mir irgendetwas einfallen zu lassen, um dich von den Schmerzen in deiner Schulter abzulenken und dich so zu erschöpfen, dass du einschlafen kannst.«
Ihre Stimme war nicht nur lauter, sondern auch nachdrücklicher geworden, und zu ihrem Entsetzen begann sie zu beben. Sie musste noch einmal Luft holen und sie kurz anhalten, ehe sie ein wenig spitz fragte: »Bist du jetzt bereit mitzukommen?«
Jack kniff die Augen zusammen und musterte sie. Er merkte, dass sie zitterte und ihr ganzer Körper unter Spannung stand. Sie war ernstlich beunruhigt und erschüttert.
»Ja, natürlich. Wenn du dir sicher bist?«
»Natürlich bin ich das.«
Sie war sich vielleicht sicher, aber er nicht; er wusste nicht genau, was sie so aufregte. Es konnte eine natürliche Reaktion auf die Ereignisse der vergangenen zwei Abende sein. In der für sie typischen Art hatte sie, vermutete er, alles in sich unter Verschluss gehalten und versucht, für alle anderen der Fels in der Brandung zu sein.
In der Eingangshalle warf er sich seinen Mantel um die Schultern und rief Gasthorpe einen Gruß zum Abschied zu. Dann nahm er Clarice’ Arm und geleitete sie nach draußen. Auf der Straße half er ihr beim Einsteigen in die Kutsche, setzte sich neben sie und lehnte sich in die Polster zurück, während er sich bewusst war, dass sie ihn eindringlich beobachtete.
»Es ist nur dann schmerzhaft, wenn ich Druck darauf ausübe oder meinen Arm über Schulterhöhe hebe.«
Die Wunde war nicht schlimm, eigentlich störte sie nur, und sonst war er war ja nicht verletzt. Während sie die kurze Strecke zum Benedict’s fuhren, überlegte er, was die Nacht wohl sonst noch für ihn bereithalten würde.
Als sie in Piccadilly einbogen, fiel ihm wieder Dalziels Besuch ein, und ungefragt berichtete er ihr alles, was Dalziel gesagt hatte.
Sie kamen dicht an einer Straßenlaterne vorbei, als die Kutsche um die Ecke fuhr, und in deren Schein konnte er erkennen, dass sie die Stirn in Falten gelegt hatte.
Plötzlich sah sie ihn an, und ihr Gesicht klärte sich. »Royce.«
Er zog die Brauen zusammen.
»Royce wer?«
Ihr Stirnrunzeln kehrte zurück.
»Das weiß ich nicht. Ich bin nicht sicher, ob ich es je gewusst habe. Aber das ist Dalziels Vorname, so wird er gerufen – Royce.«
Jack überlegte; nach einem Augenblick schüttelte er den Kopf. »Einen Adeligen anhand eines einzigen Vornamens aufzuspüren ist praktisch unmöglich.«
Aber er wollte es den anderen sagen. Eines Tages würden sie die ganze Wahrheit über Dalziel erfahren. Jetzt hingegen musste er zuerst irgendwie mit einem weiteren und ebenso schwierigen Mitglied der guten Gesellschaft fertig werden.
Als es Clarice schließlich gelungen war, ihn in ihren Salon zu verfrachten – und zwar auf direktem Wege, ohne den Umweg über die zweite Treppe –, hatte er beschlossen, wie er ihr begegnen würde.
Er würde die Sache direkt ansprechen, so wie sie es gewöhnlich tat. In dem Moment, als er gesehen hatte, wie ihr inzwischen verstorbener Widersacher das Messer in ihre Richtung geschleudert hatte,
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