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Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)

Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)

Titel: Ein fremder Feind: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Isringhaus
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der Wirbelsäule, inoperabel, aber nicht lebensbedrohlich, wie sich später herausstellte. Der Preis für ihr Entkommen.
    Selbst jetzt spürte er die Kugel in seinem Rücken, inmitten des Meeres aus Schmerz, das seinen Körper überflutete. Das Projektil war nicht tief eingedrungen, aber es piesackte ihn ab und an. Dafür erinnerte es ihn an die Monate der Flucht mit Hanna, an eine Zeit, in der ein anderes Leben möglich schien. Bis Edgar alles zerstörte.
    Kämpfen Sie, hatte seine unbekannte Pflegerin gesagt. Nur wozu? Hanna und Edgar waren tot, beide hingerichtet durch die Hand derjenigen, die sie eigentlich lieben sollten. Es gab nichts mehr auf dieser Welt, wofür es sich zu kämpfen lohnte, dachte Krauss. Mit einer Ausnahme vielleicht. Oda. Die Frau, die sich auf seine Seite geschlagen, mit ihm gegen die Truppe seines Bruders gekämpft und Hitlers Jungen befreit hatte. Doch Krauss wusste nicht, wo sie war. Wollte es nicht wissen. Er hatte sie fortgeschickt, damit sie das Kind aus Deutschlandheraus und in Sicherheit brachte. Ihm ein normales Leben ermöglichte. Oda war für ihn unerreichbar. Er vermisste sie. Aber er hatte es nicht anders gewollt – weil er wusste, dass es keine Hoffnung mehr für ihn gab.
    Das Leben war für ihn zu einem immerwährenden Ringen mit den eigenen Dämonen geworden. Gegen sie hatte er zuletzt gekämpft, fünf lange Jahre in England. Fünf verlorene Jahre. Zwar hatte er den Jungen retten können, aber weder Hanna noch sich selbst. Er wandelte durch diese Welt wie ein Toter, und die Menschen um ihn herum erschienen ihm wie Totengräber. Vor allem sein eigenes Volk, dessen Führer nach der Allmacht strebte. Krauss verkaufte sein krankes Herz an die Briten, um Hitlers Schergen zu stoppen. Fortan tötete er Nazi-Agenten für den MI5. Aber er tat es auch für Hanna. Und für sich. Am liebsten aber wäre er ihr auf die andere Seite gefolgt, hätte er in einem allerletzten Kampf sich selbst besiegt, diese Last von seiner Seele genommen. Er hatte es oft probiert, sich Hannas Pistole an den Kopf gehalten, Russisch Roulette gespielt, das Schicksal entscheiden lassen, aber es war ihm nie vergönnt. Sterben war viel schwerer als gedacht.
    Die Frau tröpfelte ihm Wasser zwischen die Lippen. Es rann köstlich über seine verdorrte Zunge. Er suchte ihren Blick, die grünen Augen. Sie weinte. Das konnte nur eines bedeuten. Es gab wohl keine Hoffnung mehr für ihn. Krauss entspannte sich. Die Zeit des Kämpfens war vorbei. Er würde diese Chance auf keinen Fall vergeben.

3.
B RASILIEN
    24. November 1935
Unterlauf des Rio Jary
    »Fernglas her! Schnell!« Schulz-Kampfhenkel wedelte aufgeregt mit dem Arm. Hansen lief zu ihm ans Ufer und reichte ihm das Instrument. Während Schulz-Kampfhenkel das Objekt seiner Begierde mehrfach vergrößert betrachtete, musste Hansen sich mit seinen bloßen Augen begnügen. Aber auch die reichten aus, um das Wesentliche zu erkennen. An der Flussbiegung, etwa dreihundert Meter von ihrem Lager entfernt, war ein Einbaum mit einem Indio aufgetaucht. Es war der erste Indianer, den sie seit ihrer Ankunft in Brasilien vor gut zwei Monaten zu Gesicht bekamen. Dementsprechend fiel Schulz-Kampfhenkels Begeisterung aus. Er sprach mit dem Fernglas im Anschlag.
    »Er ist nackt, Heinrich, bis auf einen Lendenschurz. Lange Haare. Kleingewachsen, aber muskulös. Gebaut wie ein Athlet. Rotbraune Haut, keine Zeichen von Kampfbemalung. Im Bug bellt ein kleiner, räudiger Köter. Eine große Bastmatte bedeckt sein Gepäck oder den Proviant. Obendrauf liegen ein großer Bogen und eine Handvoll Pfeile. Wahrscheinlich alle vergiftet. Hinten sitzen fünf Papageien, an einen Ast gebunden. Die will er tauschen, klar. Er ist auf einer Reise. Wie wir. Mannomann, hoffentlich dreht er nicht ab.«
    Hansen verkniff sich einen Kommentar. Das meiste von dem, was Schulz-Kampfhenkel schilderte, hatte er ebenfalls registriert. Nur konnte er dessen Enthusiasmus nicht teilen. Dieser Wilde war garantiert noch dümmer als die einundzwanzig Burschen, mit denen sie jetzt seit drei Wochen den Flusshochfuhren. Und mit denen war eine Verständigung schon schwierig, zumal Hansen kein Portugiesisch sprach. Für ihn waren die Unterschiede zwischen den brasilianischen Einheimischen und den Indianern sowieso marginal. Die Caboclos besaßen eine hellere Haut, weil ihre europäischen Vorfahren sich mit den Indianern vermischt hatten. Sie waren Bastarde. Würde man ihnen die Kleider nehmen und sie in einen Lendenschurz

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