Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)
Bayer-Apotheke einige Gegengifte parat zu haben. Hansen hielt das für Blödsinn. Er hatte das Vieh mit einem Schuss erledigt. Am Abend wanderte es in den Kochtopf.
Hansens gutes Auge und seine sichere Hand hatten ihm in den vergangenen Wochen den Respekt der Männer eingehandelt. Sie schätzten ihn als Jäger, der sein Ziel so gut wie nie verfehlte. Selbst Schulz-Kampfhenkel, das war Hansen aufgefallen, behandelte ihn anders, seit sie tiefer in den Urwald vordrangen. Hansen sorgte mit seinen Schießkünsten fast täglich für frisches Fleisch, was unabdingbar war fürs Überleben und für die Moral. Er selbst empfand beim Töten eine heimliche Lust, ein zufriedenes, wohliges Schaudern. Zumal er meist Affen erlegte, sie mit einem Schuss hoch aus den Wipfeln derBäume rupfte. Hansen liebte das Geräusch, wenn sie aus zwanzig Meter Höhe durch die Zweige krachten und dumpf auf dem Boden aufschlugen. Dass diese Tiere dem Menschen so nahestanden, erhöhte sein Jagdfieber und verlieh dem Töten eine Dimension, die ihn für vieles in diesem unwirtlichen Dschungel entschädigte. Es fühlte sich gut an, diese Leben zu beenden. Seit er das Jagen für sich entdeckt hatte, konnte er dem Urwald wenigstens etwas abgewinnen. Natürlich hätte Hansen diese Gedanken niemals einem seiner Kameraden offenbart, weil er wusste, dass sie dafür kein Verständnis gehabt hätten. Manche Geheimnisse muss man für sich behalten, dachte Hansen, sonst bringen sie einen um. Er dachte an den jungen Müller und daran, was aus ihm geworden war. Auch das durfte niemand erfahren, niemals.
Abends, wenn sie ihr Lager aufgeschlagen hatten, dachte Hansen oft an Müller, an dessen perfekten Körper. Um ihn zu vergessen, war er hier. Er hatte sich in Versuchung bringen lassen, und das durfte nie wieder passieren. In solchen Momenten nahm er den Aufenthalt im Dschungel als selbstauferlegte Sühne. Eines Nachts, als ihn besonders schlimme Erinnerungen peinigten, hatte er sogar auf sein Moskitonetz verzichtet und sich den Mücken zum Fraß vorgeworfen. Die Piums, wie die Einheimischen sie nannten, waren winzige, bösartige Biester. Hansen hatte noch nie zuvor solche Mücken erlebt. Sie stürzten sich in Schwärmen auf ihre Opfer, doch die spürten zunächst wenig davon, so lautlos pirschten sich die Blutsauger heran. Erst am nächsten Morgen offenbarten mit Einstichstellen übersäte Körperteile das Ausmaß des Schlachtfestes. Oft entzündeten sich die Wunden, juckten in jedem Fall aber höllisch, außerdem übertrugen die Piums allerlei Krankheiten, zuvorderst Malaria. Schulz-Kampfhenkel hatte für diese Fälle Atrepin in seiner Reiseapotheke, ein neues, einigermaßen wirksames Mittel gegen das Fieber. Erselbst probierte es als Erster aus; nach dem mühseligen Auseinanderbauen des Seekadetten, bei dem sie stundenlang im Schlamm standen, waren an seinen Beinen Furunkel ausgebrochen. Aber mit dem Atrepin ließ sich das Fieber gut behandeln. Hansen mochte sich nicht ausmalen, was passierte, wenn ihre Vorräte verbraucht waren. Er fragte sich, wie die Indios mit den Stechfliegen umgingen. Schließlich liefen sie fast nackt herum und benutzten keinerlei schützende Netze.
Der Indianer, der jetzt vielleicht zwanzig Meter vom Ufer entfernt auf dem Jary dümpelte, sah ebenfalls sehr gesund aus. Mittlerweile befand sich die gesamte Mannschaft am Fluss und gaffte den exotischen Reisenden an. Selbst für die Caboclos war ein Indio kein alltäglicher Anblick. Abends am Lagerfeuer erzählten die Männer gerne Geschichten von Begegnungen mit Indianern. Sie waren äußerst selten, manche von ihnen endeten angeblich blutig. Der Indio in seinem Einbaum machte auf Hansen überhaupt keinen feindseligen Eindruck. Er wirkte eher neugierig, wenn auch zurückhaltend. Die Caboclos bedeuteten ihm per Handzeichen, er solle zu ihnen ans Ufer kommen. Der Indio rief etwas herüber, Hansen verstand kein Wort.
»Catarro, das heißt Katarrh«, übersetzte Greiner aufgeregt. »Er hat Angst, dass einer von uns die Grippe hat.«
Gegen die von den Weißen eingeschleppten Erkältungskrankheiten waren die Wilden nicht gefeit, hatte Hansen gelesen. Das allein bewies in seinen Augen ihre genetische Minderwertigkeit.
»Catarro não tem«, beruhigten die Caboclos den Neuankömmling und lachten. Der Indio überlegte einen Moment, ruderte aber in ihre Richtung. Schulz-Kampfhenkel war begeistert. Einer der Caboclos raunzte seinen Kollegen Kommandos zu. Zwei Männer liefen rasch zurück zum
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