Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)
stecken, sähen sie genauso »ursprünglich« aus wie die Indios. Hansen fand die Caboclos durch die Bank hässlich, Männer wie Frauen. Und unheimlich. Ihre derben Gesichter mit den hohen Wangenknochen und den dunklen ausdruckslosen Augen wirkten primitiv und hochmütig zugleich. Diese Caboclos waren keine Menschen wie er, sondern ganz offensichtlich eine Unterart, viel weniger weit entwickelt. Er mochte sich gar nicht vorstellen, auf welcher Stufe diese Buschmänner standen. Aber Schulz-Kampfhenkel brauchte sie für seinen angeblichen Film, und deshalb suchte er verzweifelt den Kontakt zu ihnen. Der Indio war mittlerweile näher ans Ufer herangerudert. Die Töle im Bug bellte wie verrückt. Schulz-Kampfhenkel lief ins Lager, holte die Kamera. Jetzt drehte er und lächelte dabei versonnen in sich hinein. Der Mann im Boot blickte sie unbewegt an. Aber er verschwand auch nicht. Wer weiß, wozu das alles gut war, dachte Hansen. Vielleicht wusste diese Rothaut ja etwas über das Gold, das irgendwo im Dreck des Dschungels verscharrt sein musste.
Seit ihrer Havarie im Amazonas waren gut vier Wochen vergangen. Drei Tage hatte es gedauert, den Seekadett sorgfältig auseinanderzuschrauben und in Kisten zu verstauen. Zum Glück war Schulz-Kampfhenkel der Ansicht, dass sie die Region ausreichend aus der Luft fotografiert und kartografiert hatten. Obwohl sie dabei nie auf Indios oder Spuren einer ihrer Ansiedlungen gestoßen waren. Schulz-Kampfhenkel hattevon Anfang an klargestellt, dass es das vordringliche Anliegen ihrer Expedition sei, Indianer zu finden und Kontakt zu ihnen herzustellen. Ohne die Hilfe der Indios könnten sie niemals so weit wie geplant den Rio Jary erkunden. Bis an die Grenze von Französisch-Guyana sollte es gehen, zu den Stämmen der Wayapi und Wayana. Hansen hatte daher befürchtet, dass Schulz-Kampfhenkel darauf bestehen würde, den silbernen Vogel wieder zu reparieren und die Flüge fortzusetzen, doch er erklärte die Luftbeobachtung für beendet.
Nur wenige Tage später waren sie zurück im Lager am Wasserfall von Santo Antonio. Schulz-Kampfhenkel drängte, mit der Mannschaft aufzubrechen, wo sie endlich die behördliche Genehmigung bekommen hatten, ins Indianerland reisen zu dürfen. Kahle und Krause sollten sich um das Verschiffen des Flugzeugs kümmern und nachkommen. Neu dazugestoßen war Josef Greiner. Er lebte in Brasilien, sprach gut Portugiesisch und wurde von Schulz-Kampfhenkel als Vormann für die Caboclos engagiert. Greiner stammte gebürtig aus Hamburg und war ein kräftiger, junger Kerl, für Hansens Geschmack aber ein wenig zu forsch und zu naiv. Immerhin musste er sich mit den Männern herumschlagen, sie anleiten und bei Laune halten.
Zum Glück waren die Kerle relativ gutmütig und nicht arbeitsscheu. Noch hielten sich die Strapazen in Grenzen, hatten sie genug zu essen und zu trinken, an harten Tagen auch eine Portion Hochprozentigen für die Mannschaft. Rund ein Dutzend Stromschnellen mussten sie seit ihrer Abreise überqueren, ein mühseliges, manchmal auch haarsträubend schweißtreibendes Unterfangen. Wenn sie Glück hatten, ließen sich die Boote von den Männern mit Seilen vom Ufer aus über die Katarakte ziehen. Manchmal allerdings war das aussichtslos. Dann suchten sie sich einen Weg durchs Dickicht. Ein Teil der Caboclos schob, ein anderer zog ein vollbeladenes Boot nachdem anderen durch den verfilzten Dschungel. Bald schienen Hansen die Stromschnellen wie eine Strafe Gottes, der sie prüfen wollte für ihre verwerflichen Taten – wenn er an Gott geglaubt hätte. Hansen stieß jedes Mal eine Reihe von Flüchen aus, wenn das Wasser wieder unruhiger wurde und sich neuerliche Schwierigkeiten ankündigten. Dann mussten sie sich wieder einen Pfad durchs Gestrüpp brechen und die schweren Boote unter Aufbietung all ihrer Kräfte hindurchzerren, während ihnen der Schweiß in den Augen brannte und dornige Zweige den Körper zerkratzten.
Einmal war der Mann, der mit der Machete voranging, um das übelste Unkraut wegzuschlagen, mit einem gewaltigen Satz ins Unterholz gesprungen. Direkt vor ihm hatte eine Jararaca gelegen und ihn böse angezüngelt. Zum Glück war der Caboclo dank seiner schnellen Reaktion nicht gebissen worden. Die Jararaca galt als eine der giftigsten Schlangen am Amazonas; wahrscheinlich wäre der Mann, etliche Tagesreisen von der nächsten Ansiedlung entfernt, im Falle eines Bisses nicht mehr zu retten gewesen. Obwohl Schulz-Kampfhenkel behauptete, in seiner
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