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Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)

Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)

Titel: Ein fremder Feind: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Isringhaus
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nationale Revolution und dass nur der bewaffnete Kampf zum Sieg führen würde. Ich erkannte ihn kaum wieder. Aus dem Theoretiker war ein Straßenkämpfer geworden. Natürlich hat er mich mitgerissen mit seinen Schilderungen. Das war jetzt wirklich ein Abenteuer, nicht mehr nur ein Haufen betrunkener Männer, die sich in einer verrauchten Bierschenke die Köpfe heiß diskutieren. Dann hat er mir die Pistole gezeigt.«
    Krauss schwieg wieder einen Moment. Oda wagte es nicht, ihn zu unterbrechen.
    »Mein Bruder hatte eine Pistole. Es war unglaublich. Ich wusste, dass vier bayerische Landespolizisten und sechzehn Putschisten erschossen worden waren. Die Zeitungen berichtetenüber nichts anderes. Ich fragte Edgar, ob er einen Polizisten getötet habe, und er sagte: ›Das willst du nicht wissen!‹, und etwas später: ›Und wenn?‹ Ich wusste damals nicht, was ich denken sollte. Einerseits war ich von seinem Mut begeistert, andererseits erschrocken darüber, dass er einen Menschen getötet haben könnte. Was würde mit ihm passieren?, habe ich gedacht. Würden sie ihn ins Gefängnis werfen? Doch es passierte gar nichts. Er verschwand unbehelligt und kehrte erst zurück, als die Nationalsozialisten wie Phönix aus der Asche stiegen. Edgar war einer ihrer Helden, und ich bin ihm ins Verderben gefolgt.« Krauss stockte kurz. »Aber einen Gedanken werde ich nicht los. Dass in diesem kurzen ›Und wenn?‹ Edgars Zukunft steckte. Die Skrupellosigkeit, mit der er sich nach oben arbeitete. Das Foltern und Morden. Die Verachtung allem menschlichen Leben gegenüber. Hannas Ende.«
    Die Stille füllte den Raum aus.
    »Natürlich war das undenkbar, aber nehmen wir mal an, ich hätte ihn damals, nach diesem ›Und wenn?‹, getötet. Dann hätte ich vielen Menschen das Leben gerettet. Bei Hansen werde ich diesen Fehler nicht noch einmal begehen.«
    Es war aussichtslos. Vielleicht hatte Krauss sogar recht. Trotzdem lag ihr etwas auf dem Herzen, nagte an ihr. Sie setzte sich auf, rutschte an Krauss heran und legte den Kopf auf seine Schulter. Er nahm sie sacht in den Arm.
    »Hast du auch mal an uns gedacht?«, fragte sie.
    »Natürlich habe ich das«, sagte er.
    »Und?«
    »Und was?«
    »Sei nicht so.«
    »Es fällt mir schwer, darüber zu reden.«
    »Du musst ja keinen Vortrag halten.«
    Er überlegte, wählte seine Worte mit Bedacht.
    »Ich wäre froh, wenn es ein ›uns‹ gäbe. Aber ich kann mirden Egoismus nicht leisten, darauf zu beharren. Verstehst du, ich will mich nicht davonstehlen wie ein feiger Hund, als würde mich das alles nichts angehen. Nach so vielen Toten.«
    Oda küsste ihn zart auf die Wange.
    »Ist schon gut«, sagte sie. »Ich bin froh, dass ich überhaupt eine Rolle in deinem Leben spiele.«
    Er beugte sich vor, sah sie an.
    »Red bitte keinen Unsinn. Natürlich tust du das. Und ich hoffe, dass wir uns diesmal nicht trennen. Wir können das durchziehen und dann von hier fortgehen.«
    Sie lächelte milde.
    »Ich glaube nicht, dass du tatsächlich so denkst. In Wirklichkeit wirst du mir eine Aufgabe zuteilen, bei der mir nicht viel geschehen kann, oder irgendeinen fadenscheinigen Vorwand präsentieren, warum du allein handeln musst. Ich kenne dich mittlerweile ein wenig.«
    »Ich verspreche dir, dass es diesmal nicht so läuft. Wir bleiben zusammen, egal, was passiert.«
    Oda versuchte vergeblich, in seinen Augen die Wahrheit zu lesen.
    »Wir warten eine Woche ab«, fuhr er fort und strich ihr dabei über die Haare. »Das ist unsere Woche. Wir werden leben, als seien wir ein normales Paar, das hier seine Ferien verbringt. Winterurlaub. Eine Woche. Das ist die Zeit, die uns bleibt. Dann sehen wir weiter.«
    »Ich habe keine Angst vor dem Tod«, hörte sich Oda sagen. »Denn ich weiß jetzt, wie er sich anfühlt. Ich schwebte über einem Meer aus wattiger Dunkelheit, und beinahe wäre ich darin versunken. Aber ich hatte nicht den Eindruck, dass das schlimm wäre. Im Gegenteil. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Da war so eine unendliche Stille, die jeden Gedanken, alles Sein aufzusaugen schien. Es war …«
    Oda suchte nach Worten.
    »… irgendwie befreiend«, vollendete Krauss ihren Satz. »Ich habe es auch gespürt. Es war eine Verlockung, sich einfach fallen zu lassen in diese Schwärze und endlich Ruhe zu finden.«
    Sie schwiegen, die Köpfe gesenkt. Dann beugte Krauss sich vor und küsste Oda. Es linderte ihren Schmerz. Er nahm sie in den Arm, drückte sie an sich.
    »Seit ich weiß, was der Tod

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