Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)
welche Hindernisse der Mann beiseitegeräumt haben musste, um hierherzugelangen. Falk und seine Handlanger zum Beispiel. Ein Wunder, dass ihn Manuel und José überwältigen konnten. Wahrscheinlich hatte Hansen den Caboclos sein Leben zu verdanken. Wer hätte das gedacht? Manchmal hielt das Schicksal gleich mehrere Überraschungen auf einmal parat. Hansen bemerkte, dass Krauss noch eine Waffe in einem Holster trug, das ihm im Gerangel wohl vor den Bauch gerutscht war. Die Caboclos mussten den Revolver übersehen haben. Er stellte die Petroleumlampe ab, trat an Krauss heran und zog die Waffe, einen Webley-Revolver wie den, mit dem er vor Jahren die Wayapi erschossen hatte, aus dem Holster. Ein feiner Schmerz schnitt in Hansens Handfläche. Er ignorierte ihn, weidete sich stattdessen an den weit aufgerissenen Augen der Caboclos, die ihren Fehler bemerkten und erschrocken auf den Revolver starrten. Gut, dass er einen so geschulten Blick hatte, dachte Hansen.
Krauss lächelte, stellte sich entspannter hin. Offensichtlich hatten die Caboclos ihren Griff gelockert.
»Seid vorsichtig, der Mann ist gefährlich«, mahnte Hansen und richtete die Waffe auf Krauss. José und Manuel taten einen Schritt zur Seite, ließen von ihrem Opfer ab. Was war hier los?
»Bastardo«, sagte José verächtlich und spuckte auf den Boden. Hansen spürte, wie es heiß durch seinen Körper wallte,gefolgt von Übelkeit. Er konnte nicht anders, er musste die Waffe sinken lassen. Das Atmen fiel ihm auf einmal schwer, die Luft in der Hütte schien zu brennen. Schwindel erfasste ihn, die Gesichter um ihn herum verschwammen. Einen Schwächeanfall konnte er jetzt nicht gebrauchen, nicht jetzt. Aber noch hatte er die Waffe. Und auf diese Distanz war es unmöglich, vorbeizuschießen. Wenn er es denn schaffen würde, sie auf dieses verdammte Schwein zu richten.
»Verschwindet«, befahl Krauss den Caboclos. Manuel sagte ein paar Worte zu Alfredo, der wiederum ratlos von einem zum anderen schaute. Dann verließen die drei Männer die Hütte. Krauss war mit Hansen allein. Der begriff nichts. Aber es fiel ihm auch schwer, klar zu denken. Er hatte das Gefühl, dass ihn gleich seine Beine im Stich lassen würden. Seine Arme hingen schon herab wie tote Äste.
»Du fragst dich sicher, was mit dir passiert«, sagte Krauss, der nun direkt vor Hansen stand. »Dabei müsstest gerade du es wissen.«
Die Erkenntnis, die in Hansen heraufdämmerte, war furchtbar. Krauss hatte ihn vergiftet. Der Schmerz, als er die Pistole griff – die Oberfläche war präpariert, wahrscheinlich mit Froschgift, das schon in seinem Blut zirkulierte, ihn lähmte und langsam vernichtete. Alles andere war Theater gewesen, eine Täuschung, er hatte die Caboclos auf wundersame Weise überredet, die Seiten zu wechseln.
»Ich sehe es dir an, dass du begreifst, Hansen. Du bist nicht der Einzige, der sich in diesem Land mit Giften auskennt. Winnetou, du weißt, wen ich meine, hat mir geholfen. Und Präräwa. Ich hoffe, ich spreche ihren Namen richtig aus. Für sie bist du ein Teufel, weißt du das eigentlich? Sie vermeiden es, dich beim Namen zu nennen. Die Aparai glauben, dass nur ein anderer Teufel dich töten kann. Ich habe ihnen gesagt, dass ich der Richtige bin. Stell dir vor, sie haben es mir sofortgeglaubt. Ich habe das Gift besonders dick aufgetragen und ein paar Pflanzenstachel auf den Griff geklebt, damit es dahin gelangt, wo es wirkt, ins Blut. Wie fühlt es sich an, mit den eigenen Waffen geschlagen zu werden?«
Hansen wankte. Der schwere Revolver fiel aus seiner Hand, polterte auf den Boden. Das war alles nur ein schlechter Traum, aus dem er gleich erwachte. Krauss existierte nicht. Krauss war tot, von Würmern zerfressen. Außerdem: Wie sollte er ihn überhaupt aufgespürt haben? Am anderen Ende der Welt. Das war ein Ding der Unmöglichkeit. Für jeden.
»Der Revolver gehört übrigens dir«, sagte Krauss. »Ich habe ihn von Saracomano bekommen. Er hat ihn nie abgefeuert. Und jetzt tötet er dich, ohne eine Kugel zu vergeuden. Ich finde das einen schönen Gedanken.«
Hansen taumelte, stürzte und schlug rücklings auf den Boden. Krauss kniete sich neben ihn, sah ihm ins Gesicht.
»Ich habe dir damals in der Wohnung versprochen, dass du vor mir dem Tod begegnest«, sagte Krauss. »Heute löse ich mein Versprechen ein.«
Hansen wollte nicht sterben. Nicht hier. Nicht in dieser jämmerlichen Hütte. Er stöhnte laut. Krauss reagierte nicht, sah sich suchend um, entdeckte einen
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