Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)
Doch mittlerweile hatte es auch Krause erwischt, er fieberte seit Tagen, benötigte dringend medizinische Behandlung. Schulz-Kampfhenkel wachte abwechselnd an den Betten seiner Kameraden, bis beide über den Berg waren.
Danach besprachen sie, wie es weitergehen könnte. Schulz-Kampfhenkel wollte unbedingt zurück ins Lager, um den zweiten Teil seiner Expedition zu vollenden – die Reise zu den Wayapi, den Pfahlbauindianern an der Grenze von Französisch-Guyana. Von ihnen erhoffte er sich weitere Erkenntnisse über die indigenen Völker des Amazonas. Doch die Reise würde langwierig und anstrengend werden, zu kräftezehrend für die beiden angeschlagenen Deutschen. Sie kapitulierten. Schweren Herzens musste Schulz-Kampfhenkel ihre Entscheidung akzeptieren. Kahle und Krause wollten zurück nach Deutschland, in die Heimat. Der Jary-Expedition wurde nach und nach das Fundament entzogen.
Verzweifelt versuchte Schulz-Kampfhenkel, unter den Caboclos für das neuerliche Abenteuer zu werben, doch selbst die Einheimischen scheuten die Strapazen. Gerade mal Pascoal, ein ruhiger, selbstbewusster und risikobereiter Mann, ließsich überzeugen. Mit ihm trat Schulz-Kampfhenkel nach sechs Wochen die Rückreise zu den Aparai an, wohl wissend, dass er für seine weiteren Pläne die Unterstützung der Indianer gewinnen musste. Vierzehn Tage hatten sie gebraucht, um den Jary ein weiteres Mal zu bezwingen. Entsprechend mitgenommen sah der Expeditionsleiter aus. Trotzdem drängte er darauf, so schnell wie möglich weiterzufahren, hinein ins Territorium der Wayana und Wayapi.
»Ich habe das Gefühl, dass mir nicht mehr viel Zeit bleibt, Heinrich«, sagte er ungewöhnlich müde. »Kann ich auf deine Hilfe zählen?«
Hansen war so überrumpelt und verwirrt, dass er einwilligte. Dabei erschien ihm eine Reise zu dem Stamm, dessen Blut er sinnlos vergossen hatte, wie eine Strafe Gottes. Er hoffte, dass sich die Aparai nicht überzeugen ließen. Schulz-Kampfhenkel benötigte mehr Hände, als der Häuptling erübrigen konnte.
Doch Hansen hatte sich getäuscht. Zwar sträubte sich Aocapoto, aber Schulz-Kampfhenkel versprach ihm zusätzliche Kisten voller Geschenke und den lebenslangen Dank des großen Vaters Wissenschaft, der das Volk der Aparai beschützen würde. Am Ende stimmte Aocapoto zu, unter der Bedingung, dass er seinem weißen Bruder auch Frauen würde mitgeben müssen. Der Häuptling durfte sein Dorf nicht so lange ungeschützt lassen. Pituma, Akuri und Parassi würden Schulz-Kampfhenkel begleiten. Der Deutsche bedankte sich. Hansen hätte seinen alten Freund am liebsten auf der Stelle getötet. Schon allein, weil er ihm zumutete, wochen- oder gar monatelang ohne den Anblick von Saracomano auszukommen. Auch wenn Hansen es nicht wagte, sich dem Häuptlingssohn mehr als freundschaftlich zu nähern, übte der Indio nach wie vor eine große Anziehungskraft auf ihn aus. Saracomano war seine heimliche Leidenschaft und Macassa sein erotisches Ventil.Jetzt sollte er gleich auf beide verzichten. Aber er wusste keine Lösung, die Dinge abzuwenden, ohne sein Gesicht oder sein Leben zu verlieren.
Drei Tage später brachen sie mit zwei Booten auf, unvorstellbare siebenhundert Kilometer weiter den Jary hinauf. Ob es der Widerwille gegen die Unternehmung war oder die nervtötende Monotonie, in Hansens Erinnerung verschmolzen die darauffolgenden Wochen zu einem einzigen unauflöslichen Klumpen. Er saß meist vorn im Boot, den Mauserstutzen neben sich, auf Gefahren wie auf schnelle Beute lauernd. Mit Schulz-Kampfhenkel sprach er kaum ein Wort; sie begegneten sich zwar nicht feindselig, hatten ihre Beziehung aber auf ein notwendiges Mindestmaß heruntergefahren, mit klar verteilten Aufgaben. Hansen war derjenige, der das Fleisch besorgte, Schulz-Kampfhenkel kümmerte sich um die Motivation des ungleichen Trupps. Schon rein äußerlich kamen die beiden Deutschen aus unterschiedlichen Welten: Hansen verzichtete konsequent auf sein Hemd, hatte auch die Hose unterm Knie abgetrennt. Die langen Haare flatterten im Fahrtwind, um den Hals trug er seinen Jaguarzahn, am Gürtel den schweren Webley-Revolver. Äußerlich war er mehr Indianer als Deutscher, innerlich allmählich vollkommen verwildert. Schulz-Kampfhenkel achtete dagegen, so gut es ging, auf saubere Kleidung, verzichtete nie auf sein Hemd, bevorzugte lange Hosen und schwere Schuhe. Seiner Ansicht nach hatte eine gute Moral etwas mit dem äußeren Erscheinungsbild zu tun. Hansens Aussehen
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