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Ein Freund der Erde

Ein Freund der Erde

Titel: Ein Freund der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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einer Pupille darin.
    Dieses Objekt, dieses Relikt schnürt mir die Kehle zu, und ich kann nicht sagen, warum. Da liegt es in meiner Hand, ein glitzernder künstlicher Gegenstand, Stellvertreter der Wirklichkeit. Mir fällt nichts weiter ein, als zu sagen: »Armer Mac.«
    Andrea krempelt sich die Ärmel hoch, sucht nach Besen, Scheuerbürste, reißfesten Mülltüten, dennoch nimmt sie sich eine Minute Zeit, um meine Hand zu ergreifen. Sie nickt traurig, langsam und elegisch, aber der Optimist hier ist sie, daran gibt es keinen Zweifel. »So grauenhaft es war«, sagt sie, »immerhin war es doch auch etwas Besonderes .«
    »Etwas Besonderes? Wie meinst du das?«
    Das Licht in dem hohen gesplitterten Fenster vor ihr ist wie Sirup, der sich über die Deckenbalken und den hereindrängenden Bauch des riesigen Baumes ergießt, Dunkel fällt über die Erde, die Nacht bricht herein. Es ist sehr still. »Denk mal drüber nach, Ty – unter den Milliarden von uns hier auf diesem Planeten ist er der letzte, der noch... der so geendet hat. Eigentlich beinahe eine Ehre.«
    Was den Rest angeht, ergeben wir uns der Zeit und gleiten in einem so gelassenen, unkomplizierten Ablauf durch die Tage, wie ich es noch nie erlebt habe – es ist fast so, als wären wir wieder in der Wildnis. Mit der Sonne aufstehen, bei Einbruch der Nacht ins Bett, kein anderer Gedanke, als uns ein Leben zu schaffen, von Minute zu Minute, von Stunde zu Stunde. Wir karren den Unrat in Tüten weg, scheuern die Böden, bis die Küchenfliesen wieder zu Leben erwachen und das Holz unter einer frischen Schicht Bohnerwachs schimmert. Wir zerdrücken Waldameisen, kämpfen mit Wespen, jagen Mäuse und Vögel und Fledermäuse zurück in die Natur, wo sie hingehören. Andrea fährt mit dem Olfputt nach Orsonville und bringt sechzehn ausgemessene und vorgeschnittene Fensterscheiben mit, und sie handhabt den Kitt wie ein Glaserlehrling oder vielleicht auch der Glasermeister persönlich. Ob ich Zement anrühren kann? Klar kann ich das. Und bald habe ich die herumliegenden Ziegelsteine vor dem Haus eingesammelt und damit einen neuen Kamin gebaut, so daß wir im Winter vor dem Feuer sitzen können, den guten Rotwein schlürfen und Rindfleisch kauen, auf den Wind horchen, der in hohlen Stellen pfeift, und dem Gewisper des Schnees. An Feuerholz wird es uns nicht mangeln, das steht fest.
    Die Leute von früher sind noch immer hier, mitten in der Verwüstung wohnen sie in frisch gedeckten Hütten, an den Donnerstagen trifft man sich in der Lodge zum Überraschungsabendessen, viel mehr als Zeit besitzt hier keiner mehr. Aber mit der Hilfe der gedrungenen Männer und ein paar anderer Nachbarn gelingt es uns, die Pine Street wieder in einen benutzbaren, wenn auch etwas rumpligen Zu- und Abfahrtsweg zu verwandeln, und wir schaffen sogar den größten Teil dieses Baumes von unserem Dach herunter. Noch besser: Andrea läßt ein bisher ungeahntes Talent aufblühen – als Mädchen in Montana hat sie von ihrem Vater gelernt, wie man Langschindeln aus Hartholz spaltet. »Gar nicht so schwer«, sagt sie, und schon steht sie draußen vor dem Haus, spuckt sich in die schwieligen Handflächen und schwingt die Axt hoch über den Kopf. Und vergessen wir auch nicht General Electric. Sie haben uns angeschlossen – ein dünnes schwarzes Kabel, das in einem Graben entlang der Straße verläuft, nicht viel mehr als eine lange Verlängerungsschnur –, und so haben wir jetzt Strom, das Haus leuchtet im Dunkeln wie eine himmlische Erscheinung, die in einem Nest aus umgestürzten Bäumen und den tiefen Schatten der Nacht auf der Erde gelandet ist.
    Und da ist noch etwas. Der Wald – dieser Wald, unser Wald – kehrt zurück, die Schößlinge neuer Bäume erheben sich aus dem Friedhof der alten, Espen schütteln ihre Blätter mit einem Geräusch, das wie Applaus klingt, Weiden säumen buschig die Wasserläufe. In den Nächten hört man die Eulen schreien und gleich danach den kehligen Ruf der Coyoten, die sich den Hauptgang ihrer nächsten Mahlzeit besorgen. Eichhörnchenjäger haben wir noch keine getroffen, auch keine anderen Survival-Freaks aus der Stadt – und das ist uns nur recht so.
    Dann kommt ein lauer, blasser Abend mitten im Sommer, die Wildblumen auf den Wiesen stehen in brennender Blüte, unten am Bach halten Kröten und Baumfrösche ihren Sängerwettstreit ab, und meine Frau und ich wandern Arm in Arm die leicht abfallende, jetzt wieder offene Straße entlang, Petunia trottet neben uns

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