Ein froehliches Begraebnis
ein braungebrannter Thunfisch denn wie ein zierlicher Schleierfisch, Doktor Harris, mit dem Irina schon seit vier Jahren heimlich verlobt war, konnte sie, als er für fünf Tage in New York war, nur mit Mühe finden und fuhr beleidigt wieder ab, überzeugt, sie wolle ihn verlassen. Das aber hatte sie keineswegs vor. Er war ein berühmter Experte für Urheberrecht und bekleidete einen so hohen Posten, daß sie ihn normalerweise nie kennengelernt hätte. Ein reiner Zufall: Der Inhaber ihres Büros hatte sie als Assistentin zu Verhandlungen mitgenommen, danach fand ein Empfang statt, auf dem kaum Frauen anwesend waren, und sie fiel unter den schwarzen Smokings auf wie eine weiße Taube unter lauter alten schwarzen Raben. Zwei Monate später, als sie die Reise nach England schon total vergessen hatte, bekam sie eine Einladung zu einer Tagung junger Juristen. Der Chef ihres Büros war vor Verblüffung eine Weile fassungslos, konnte sich aber nicht vorstellen, daß Harris sich für seine winzige Assistentin interessierte. Dennoch ließ er sie für drei Tage nach Europa reisen. Und nun lief es wohl darauf hinaus, daß Harris sie heiraten wollte.
Und das war nicht irgendwas mit Liebe-Triebe, sondern eine ernste Sache.
Jede Frau über vierzig träumt von einem Harris. Und Irina war gerade vierzig geworden.
Jedenfalls war das alles ziemlich dumm.
Am Abend fuhr Irina zu Nina, um mit ihr zu reden. Doch im Schlafzimmer stand wieder die Wunderheilerin herum, die vor ihrer Abreise noch einmal auf einen Sprung vorbeigekommen war. Das Atelier war wie üblich voller Menschen.
Irina war hungrig und öffnete den Kühlschrank. Darin sah es mau aus. In einer Einkaufstüte aus dem russischen Laden lag teures Schwarzbrot, ein Stück Käse trocknete vor sich hin. Irina machte sich ein Brot. Dann trank sie einen Schluck von Ninas Drink – in diesem Haus tranken auf einmal alle screw, Orangensaft mit Wodka. Endlich kam Nina rausgekrochen.
»Also, was willst du von Gottlieb?«
»Von welchem Gottlieb?« fragte Nina erstaunt.
»Mein Gott, du hast mich doch heute nacht angerufen . . .«
»Ach so, er heißt Gottlieb. Das hab ich gar nicht gewußt. Alik hat gesagt, ich soll einen Rabbi holen«, sagte Nina unschuldig, und Irina spürte eine plötzliche Aufwallung von Ärger: Warum gab sie sich mit dieser Idiotin ab? Aber sie unterdrückte ihren Ärger routiniert und fragte sanft:
»Was willst du denn mit einem Rabbi? Bringst du da auch nichts durcheinander?«
Nina strahlte.
»Ach, du weißt ja noch gar nichts! Alik ist einverstanden, er läßt sich taufen.«
Irina konnte ihre Wut nun nicht mehr zurückhalten.
»Nina, zum Taufen braucht man doch wohl einen Priester, oder?«
»Klar doch!« Nina nickte. »Klar, einen Priester. Das hab ich schon abgesprochen. Aber Alik hat gebeten . . . Er will auch mit einem Rabbi sprechen.«
»Er will sich taufen lassen?« staunte Irina, die endlich das Wesentliche erfaßt hatte.
Nina senkte ihr schmales kleines Gesicht in die knochigen, nun nicht mehr schönen Hände.
»Fima sagt, es steht sehr schlecht. Alle sagen, es steht schlecht. Und Marja Ignatjewna sagt, das ist die letzte Hoffnung, die Taufe. Ich will nicht, daß er ins Nichts geht. Ich will, daß Gott ihn aufnimmt. Du kannst dir nicht vorstellen, was für eine Finsternis das ist. . . Das kann man sich nicht vorstellen.«
Nina wußte einiges über diese Finsternis, sie hatte drei Suizidversuche hinter sich, einen in ihrer frühen Jugend, einen gleich nach Aliks Abreise aus Rußland und den dritten hier, nachdem sie ein totes Kind geboren hatte.
»Es eilt, es eilt sehr.« Nina goß sich den Rest Saft ins Glas. »Irischa, geh mir doch bitte Saft kaufen. Wodka nicht, Wodka hat Slawik gestern mitgebracht. Und dein Gottlieb soll einen Rabbi herschaffen.«
Irina nahm die Einkaufstasche und langte in das Metallgefäß auf dem Kühlschrank – dort wurden die Rechnungen gesammelt. Es war leer. Irgend jemand hatte bereits alles beglichen.
5
V on sich sagte Irina immer: Ich habe auf alle Pferde gesetzt, auch auf das jüdische. Ihr jüdisches Pferd war der riesige schwarzbärtige Ljowa Gottlieb, der es fertigbrachte, die Russin Irina zum Judentum zu bekehren, und zwar nicht nur so, sondern mit allen Schikanen, mit Sabbatkerzen, Mikwa und Kopfbedeckung, die ihr übrigens ausgezeichnet stand. Die kleine T-Shirt ging in eine religiöse Mädchenschule, die sie bis heute in guter Erinnerung hatte.
Zwei volle Jahre spielte Irina die Jüdin. Sie lernte
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