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Ein froehliches Begraebnis

Ein froehliches Begraebnis

Titel: Ein froehliches Begraebnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ljudmila Ulitzkaja
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wurde.
    Bei Irinas erstem Besuch kam ihr Nina vor wie eine hochmütige, launische dumme Gans: Eine angeschlagene Schönheit saß auf dem Teppich und bat, nicht gestört zu werden; sie legte ein riesiges Puzzle. Bei näherer Betrachtung hielt Irina sie schlicht für geisteskrank und obendrein psychisch gestört – ihre Trägheit wechselte mit Hysterie, plötzlichen Ausbrüchen von Fröhlichkeit oder Melancholie, was Irina ihrem schleichenden, aber unverkennbaren Alkoholismus zuschrieb.
    Im übrigen konnte sie noch verstehen, warum Alik sie geheiratet hatte, aber wie er ihre an Geistesschwäche grenzende Dummheit so lange aushielt, ihre pathologische Faulheit und Schlamperei! Sie empfand keine verspätete Eifersucht, sondern tiefes Unverständnis. Irina hatte noch nie mit dem Typ Frau zu tun gehabt, zu dem Nina gehörte. Gerade mit ihrer grenzenlosen Hilflosigkeit weckte sie in allen, die sie umgaben, besonders in den Männern, ein starkes Verantwortungsgefühl.
    Nina hatte noch eine Eigenschaft: Jede Laune, jede Idee oder Marotte trieb sie auf die Spitze. Zum Beispiel nahm sie nie Geld in die Hand. Wenn Alik mal für eine Woche wegfuhr, etwa nach Washington, wußte er, daß Nina nicht einkaufen gehen und lieber vor Hunger sterben würde, als das »schmutzige Papier« anzufassen. Also füllte er vor jeder Abreise den Kühlschrank.
    In Rußland hatte Nina nie gekocht, aus Angst vor Feuer. Sie hatte damals für Astrologie geschwärmt und irgendwo gelesen, daß ihr, der im Sternzeichen Waage Geborenen, Gefahr drohe durch Feuer. Seitdem mied sie den Herd, was sie mit der kosmischen Unvereinbarkeit des Sternzeichens der Luft mit dem Element Feuer begründete. Hier im Atelier, wo anstelle des Gasherdes ein elektrischer stand und sie echtes Feuer höchstens an einer Streichholzspitze zu sehen bekam, war ihre Abneigung gegen das Kochen dennoch nicht vergangen, und Alik meisterte mühelos und mit Erfolg auch die Küchenarbeit.
    Außer Geld und Feuer gab es noch etwas ganz und gar Unfaßbares: Sie hatte eine irrsinnige, krankhafte Angst davor, Entscheidungen zu treffen. Je nichtiger der Gegenstand, desto mehr quälte sie sich. Einmal hatte Irina von einer Klientin, einer Sängerin, Opernkarten geschenkt bekommen und auf T-Shirts Bitte Alik und Nina eingeladen mitzukommen. Sie wollten die beiden abholen und wurden Zeuginnen, wie Nina bis zur Erschöpfung ihre engen kurzen Kleider und ihre Ausgehschuhe durchprobierte, sich dann aufs Bett warf und sagte, sie werde nirgendwohin gehen. Sie schluchzte ins Kissen, während Alik, der es dabei mied, die unfreiwilligen Augenzeuginnen anzusehen, irgendein Kleid neben Nina legte und sagte:
    »Das hier. Samt gehört zur Oper wie Würstchen zum Bier.«
    T-Shirt hatte an dieser Vorstellung sicher mehr Spaß als an der mittelmäßigen Oper.
    Irina kannte Launen und Marotten sehr gut – ihre Jugend war voll davon. Aber im Unterschied zu Nina hatte sie die Zirkusschule hinter sich. Die Fähigkeit, auf einem Drahtseil zu laufen, ist für einen Emigranten sehr nützlich . . . Das Seil schneidet in die Fußsohlen, das Herz bleibt fast stehen, Schweiß rinnt über die Augen, doch der Mund ist zu einem breiten Lächeln verzogen, das Kinn siegessicher gereckt, ebenso die Nase, sie weist zu den Sternen, alles ist leicht und mühelos, mühelos und leicht. . . Vielleicht hatte Irina es deshalb am weitesten von allen gebracht. Mit Klauen und Zähnen hatte sie sich einen exklusiven amerikanischen Beruf erkämpft, acht Jahre lang jeden Tag genau zwei Stunden zu wenig Schlaf. Entscheidungen treffen mußte sie zehnmal am Tag, und längst galt für sie als eiserne Regel: Nicht ärgern, wenn eine Entscheidung mal weniger glücklich war.
    Die Vergangenheit ist endgültig und unabänderlich, aber die Zukunft gehört uns, sagte sie in solchen Fällen. Und plötzlich stellte sich heraus, daß ihre unabänderliche Vergangenheit Macht über sie besaß.
    Mit Alik sprach Irina weder über seinen bevorstehenden Tod noch über die Vergangenheit. Wovon sie nicht zu träumen gewagt hatte, war geschehen: T-Shirt ging mit Alik und allen seinen Freunden so selbstverständlich und unbefangen um, daß keiner von ihnen auch nur ahnte, was für eine schwere psychische Störung das Mädchen hinter sich hatte. Doch Irina hätte sich selbst wohl kaum zu erklären vermocht, was sie zwang, nun schon seit zwei Jahren jede freie Minute in dieser lauten, chaotischen Behausung zu verbringen.
    Der englische Goldfisch, der eher aussah wie

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