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Ein Ganz Besonderer Fall

Ein Ganz Besonderer Fall

Titel: Ein Ganz Besonderer Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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wo ein Ausweg aus diesem Irrgarten war. Nicht für sich selbst - sein eigener Weg lag offen und klar vor ihm, und es war kein langer Weg mehr. Aber dieser Schläfer…
    Humilis legte sich wieder aufs Bett. Er zitterte angesichts des Wissens um ein großes Wunder und um große Gefahr, und wartete auf den Morgen.
    Bruder Cadfael erhob sich im Morgengrauen, lange vor der Prim, und ging in den Garten hinaus. Doch selbst dort fand er keine frische Luft. Eine bleierne Stille lag über der Welt, festgehalten von einer dünnen Wolkendecke, durch welche die aufgehende Sonne ungehindert zu brennen schien. Er ging zum Meole-Bach hinunter, durch das abschüssige, bleiche Erbsenfeld, dessen Pflanzen schon lange mit der Sichel abgeschnitten und als Stroh eingebracht worden waren. Die weißen Stoppeln würden als Dünger für die Ernte des nächsten Jahres untergepflügt werden. Cadfael streifte seine Sandalen ab und watete ins träge, flache Wasser hinaus, das der Fluß noch führte, und fand es warm, wo er auf etwas Kühlung gehofft hatte. Dieses Wetter, dachte er, kann sich nicht mehr lange halten. Es mußte umschlagen, irgendwann wird sich ein Sturm erheben, und da es ein Gewitter wird, wie mir der Geruch der Luft und das Prickeln meiner Haut verrät, wird Shrewsbury seinen Anteil abbekommen. Die Gewitter folgten wie die Händler dem Lauf des Flusses durch die Täler.
    Nachdem er sein Bett verlassen hatte, war es mit der Muße vorbei. Er nutzte die Zeit bis zur Prim, indem er die Kräuter versorgte und wässerte, solange die Sonne noch niedrig als runde, trübe Goldmünze hinter dem Dunstschleier stand. Diese Arbeiten konnte er mit Händen und Augen verrichten, während sein Kopf frei war und über das verflochtene Schicksal der Menschen, zu denen er eine starke Zuneigung gefaßt hatte, nachdenken und grübeln konnte. Keine Frage, daß Godfrid Marescot - an ihn als verlobten Mann zu denken, bedeutete zugleich, ihn beim alten Namen zu nennen - mit gleichmäßigen, unbeirrbaren Schritten diese Welt verließ; und jeden Tag wurden seine Schritte etwas schneller, wie bei einem Mann, der eilig das Weite suchte. Und doch blickte er jeden Tag über die Schulter zurück, ob seine verlorene Braut doch noch hinter ihm war, statt ihn bereits am Ende des Weges zu erwarten. Was konnte man zu seiner Beruhigung sagen? Und was konnte Nicholas Harnage trösten, der zu langsam gewesen war und nicht früh genug um ihre Gunst geworben hatte?
    Eine Meile von Wherwell entfernt, und sie ward nie mehr gesehen. Und mit ihr, eine große Versuchung für jeden Dieb, verschwanden Wertgegenstände und das Geld, das sie bei sich trug. Und nur ein Mann kam eindeutig und offensichtlich als Verdächtiger in Frage: Adam Heriet, gegen den alles sprach außer Hughs nicht ganz sicherer Überzeugung, daß er wirklich etwas über ihr Schicksal erfahren wollte. Er hatte gefragt und gefragt, bis sie Shrewsbury erreicht hatten. Oder hatte er nur gefischt, nicht nach Informationen über ihr Schicksal, sondern nach einem Fingerzeig, nach einem Hinweis auf Hughs Absichten, nach einem unbedachten Wort, das ihm verriet, wieviel der Gesetzeshüter schon wußte und welche Chance er noch hatte, sich durch Schweigen oder Lügen oder durch andere Mittel aus der drohenden Gefahr herauszuwinden?
    Unpassende Fragen sprossen aus dem Dunkel wie die unbeschnittenen Auswüchse einer ungepflegten Hecke. Warum hatte sich das Mädchen überhaupt für Wherwell entschieden?
    Vielleicht, weil es weit von ihrem Heim entfernt war; keine schlechte Wahl, wenn man ein neues Leben beginnen wollte.
    Oder weil es eins der wichtigsten Benediktinerhäuser im ganzen Süden war, wo eine begabte Schwester Aussichten hatte, zu Amt und Würden zu kommen. Und warum hatte sie drei Männern aus ihrer Eskorte befohlen, in Andover zu bleiben, statt sie bis zu ihrem Ziel zu begleiten? Natürlich, der eine, mit dem sie ging, war ihr Vertrauter und von Kindheit an ihr treuer Diener gewesen. Aber stimmte das wirklich? Man erzählte dies von ihm, aber Wahrheit und Ruf sind manchmal zweierlei. Und wenn es zutraf, warum entließ sie kurz vor dem Ziel sogar ihn?
    Vielleicht mußte man es vorsichtiger ausdrücken: Hatte sie ihn wirklich kurz vor dem Ziel entlassen? Wo hatte er dann die langen Stunden bis zu seiner Rückkehr nach Andover verbracht? Hatte er, wie er behauptete, die Wunder von Winchester begafft? Oder hatte er sich einem dunklen Geschäft gewidmet? Was war aus den Schätzen geworden, die sie bei sich trug?

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