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Ein Ganz Besonderer Fall

Ein Ganz Besonderer Fall

Titel: Ein Ganz Besonderer Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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hörte diese Worte lächelnd an, doch es war ein unsagbar trauriges Lächeln. Der Junge, dachte Cadfael, weiß ganz genau, daß nicht mehr viel Zeit bleibt. Jeder Augenblick zählt und hat große Bedeutung. Die unwissende Liebe verschwendet, was die wissende sich als Unterpfand der Ewigkeit bewahrt.
    »Er hat recht«, warf Cadfael ein. »Geht nur zur Messe, ich will hierbleiben, bis Ihr zurückkommt. Ihr braucht Euch nicht zu beeilen; ich glaube, Bruder Rhun wartet schon auf Euch.«
    Fidelis nahm die Entlassung, die er für vernünftig hielt, widerspruchslos hin und ging schweigend hinaus. Sie blieben nicht weniger schweigsam zurück, bis sein schlanker Schatten über die Schwelle des Raumes geglitten war und den offenen Hof erreicht hatte.
    Humilis lehnte an seinen aufgestellten Kissen. Er tat einen tiefen Atemzug, unter dem sein geschundener Körper beinahe wie eine Staubflocke davongeschwebt wäre.
    »Wird Rhun sich auch um ihn kümmern?«
    »Das wird er bestimmt«, sagte Cadfael.
    »Das ist gut! Er braucht einen wie Rhun. Einen Unschuldigen mit solcher Kraft! Oh, Cadfael, wie schön ist die Einfalt und Weisheit einer Taube! Ich wünschte, Fidelis wäre von dieser Art, aber das ist er nicht, er ist das Gegenteil und nach innen gekehrt. Ich mußte ihn fortschicken, weil ich mit Euch reden will.
    Cadfael, ich mache mir große Sorgen um Fidelis.«
    Das war nichts Neues. Cadfael nickte zustimmend und schwieg.
    »Cadfael«, fuhr die geduldige Stimme fort, die jetzt, da sie allein waren, entspannter sprach. »Ich habe Euch ein wenig kennengelernt, seit Ihr mich pflegt. Ihr wißt so gut wie ich, daß ich sterbe. Kein Grund, deshalb bekümmert zu sein. Ich gehe dem Tod entgegen, der mich schon hundertmal hätte holen sollen. Nicht um mich selbst mache ich mir Sorgen, sondern um Fidelis. Ich habe Angst, ihn hier allein zurückzulassen, ohne mich in diesem Leben gefangen.«
    »Er wird nicht allein sein«, wandte Cadfael ein. »Er ist ein Bruder dieses Hauses. Er kann die Hilfe und die Freundschaft aller Brüder hier in Anspruch nehmen.« Das schmale, traurige Lächeln überraschte ihn nicht. »Und die meine, falls Euch das etwas bedeutet«, fuhr er fort. »Und Rhuns Hilfe natürlich auch.
    Ihr habt selbst gesagt, daß Rhuns Treue nicht gering zu schätzen ist.«
    »Nein, wirklich nicht. Die einfältigen Heiligen sind aus dem gleichen Holz geschnitzt wie er. Aber Ihr seid nicht einfältig, Bruder Cadfael. Ihr seid manchmal von einem erschreckenden Scharfsinn, und auch der hat seinen Wert. Außerdem glaube ich, daß Ihr mich versteht. Ihr versteht die Natur dieser Notwendigkeit. Wollt Ihr für mich auf Fidelis achtgeben und ihm als Freund zur Seite stehen, an ihn glauben und sein Schwert und Schild sein, wenn es nötig wird, nachdem ich fort bin?«
    »Nach Kräften«, sagte Cadfael. »Das will ich tun.« Er beugte sich vor, um einen Speichelfaden von den Lippen zu wischen, die vom Sprechen müde und schlaff geworden waren. Humilis ließ ihn seufzend gewähren und fügte sich gehorsam der kurzen Berührung. »Ihr wißt«, sagte Cadfael vorsichtig, »was ich nur vermute. Wenn ich richtig vermute, dann gibt es ein Problem, das keiner von uns beiden lösen kann. Ich verspreche Euch, daß ich mich bemühen werde. Aber das Ende können wir nicht voraussagen, das liegt in Gottes Hand. Ich will jedoch tun, was ich tun kann.«
    »Ich würde freudig sterben«, sagte Humilis, »wenn mein Tod helfen könnte, Fidelis zu retten. Aber ich fürchte, daß mein Tod, der bald kommen wird, nur seine Sorgen und sein Leid verschlimmert. Könnte ich sie mit mir vor den Richter nehmen, dann würde ich sie gern in die Arme schließen und gehen. Gott verhüte, daß er je für das angeklagt und bestraft wird, was er tat.«
    »Wenn Gott ihm verzeiht, dann können Menschen ihn nicht mehr richten«, sagte Cadfael. »Ich will tun, was getan werden muß, aber bei Gott, ich weiß nicht, wie man es erreichen kann.
    Nun, Gott sieht klarer als ich, vielleicht weist er mir einen Weg aus diesem Wirrwarr und öffnet mir die Augen, wenn die Zeit reif ist. Durch jeden Wald gibt es einen Weg, durch jeden Sumpf einen sicheren Pfad. Man muß ihn nur finden.«
    Ein schwaches, blasses Lächeln spielte um die Lippen des kranken Mannes. Dann wurde er wieder ernst. »Ich bin der Sumpf, aus dem Fidelis einen sicheren Ausweg finden muß. Ich hätte meinen Namen in die englische Sprache übersetzen sollen, dann wäre er passender gewesen, denn mein Blut ist zu mehr als der

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