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Ein Ganz Besonderer Fall

Ein Ganz Besonderer Fall

Titel: Ein Ganz Besonderer Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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Hälfte sächsisch - Godfrid aus der Marsch statt Godfrid de Marisco. Mein Vater und mein Großvater hielten es für besser, ganz normannisch zu werden. Nun ist es gleich, wir alle verlassen die Welt durch das gleiche Tor.« Er lag eine Weile still und schweigend und schien seine Gedanken zu sammeln und die Kraft, die er noch besaß. »Ich habe noch einen weiteren Wunsch, bevor ich sterbe. Ich würde gern das Gut von Salton sehen, wo ich geboren wurde. Ich möchte mit Fidelis hingehen, um ein einziges Mal mit ihm außerhalb der Klostermauern an dem Ort zu sein, an dem mein Leben begann. Ich hätte schon früher um Erlaubnis bitten müssen, aber es bleibt noch etwas Zeit. Es ist nur einige Meilen flußaufwärts. Wollt Ihr für mich mit dem Herrn Abt sprechen und ihn um diesen Gefallen bitten?«
    Cadfael betrachtete ihn zweifelnd und entrüstet. »Ihr könnt nicht reiten, das ist sicher. Wie auch immer wir Euch dort hinbefördern, es würde über Eure Kräfte gehen.«
    »Keine Anstrengung kann mein Leben um mehr als einige Stunden verkürzen, aber es wäre ein Glück, einen Teil meiner verbliebenen Zeit mit dem Anblick des Ortes zu füllen, an dem ich meine Kindheit erlebte. Bittet ihn für mich, Cadfael.«
    »Der Fluß ist dort unten«, sagte Cadfael zweifelnd, »aber mit seinen Windungen und Biegungen verlängert er die Reise um das Doppelte. Und das Wasser ist niedrig, Ihr braucht einen Bootsführer, der jede Untiefe und jeden Strudel kennt.«
    »Ihr kennt sicher einen solchen Mann. Ich weiß noch, wie wir damals geschwommen sind und geangelt haben. Die Kinder aus Shrewsbury können fast von Geburt an schwimmen, selbst ich konnte es, bevor ich laufen konnte. Es muß viele fähige Männer am Fluß geben.«
    Die gab es, und Cadfael kannte den besten von allen, der mit dem ganzen Severn vertraut war. Er kannte jede Insel, jede Biegung und jede Untiefe und konnte zu jeder Jahreszeit genau sagen, wo ein Gegenstand, den man ins Wasser warf, wieder ans Ufer treiben würde. Madog mit dem Totenboot hatte diesen Namen erworben, weil er viele Male verzweifelten Familien zu Diensten gewesen war, die nach der Schneeschmelze weit stromaufwärts in Wales Söhne oder Brüder in den Fluten verloren hatten; allzu vorwitzige Kinder, die beim Aufhängen der Wäsche in den Büschen am Ufer einen Augenblick unbeaufsichtigt geblieben waren; Fischer, die mit viel zuviel Ale im Bauch in ihren Booten ausgefahren waren. Er hatte keine Einwände gegen seinen Titel, auch wenn er lieber fischte und als Fährmann arbeitete. Irgend jemand mußte tun, was er für die Toten tat, und da er es besser tat als jeder andere, durfte er auch stolz darauf sein. Cadfael kannte ihn seit vielen Jahren. Er war, wie er selbst ein älterer Waliser, dessen Hilfe, die nie abgeschlagen wurde, er schon mehrmals in Anspruch genommen hatte.
    »Selbst bei diesem niedrigen Wasser«, sagte Cadfael nachdenklich, »könnte Madog mit einem Fischerboot vom Fluß aus den Bach hinauffahren, aber ein so kleines Boot könnte Euch und Fidelis als zusätzliche Last nicht tragen. Doch sein kleiner Kahn verdrängt nicht viel Wasser, und ich glaube, daß er ihn in den Mühlteich bringen könnte. Bis zum Teich ist der Bach tief genug, denn der Mühlkanal speist ihn. Wir könnten Euch mit einer Trage zur Mühle bringen und Euch ins Boot setzen…«
    »So weit kann ich auch laufen«, erwiderte Humilis energisch.
    »Ihr wärt gut beraten, Eure Kraft für Salton aufzusparen. Wer weiß?« Cadfael bemerkte verwundert die leichte Röte, die das schmale graue Gesicht überzog, als der Mann daran dachte, daß er zum ersten Heim seiner Kindheit zurückkehren würde - vielleicht, um dort zu enden, wo sein Leben begann. »Wer weiß, womöglich tut Euch eine solche Reise doch sehr gut!«
    »Wollt Ihr den Herrn Abt fragen?«
    »Das will ich tun«, sagte Cadfael. »Sobald Fidelis zurück ist, gehe ich zu ihm.«
    »Sagt ihm, daß die Zeit drängt«, erklärte Humilis mit einem Lächeln.
    Abt Radulfus hörte wie üblich ernst zu und dachte eine Weile schweigend nach, ehe er sich äußerte. Außerhalb des halbdunklen, holzvertäfelten Sprechzimmers stieg die heiße Sonne weiter, immer noch durch einen leichten Dunst verschleiert, der ihr die Farbe von Kupfer gab, so daß sie um so grimmiger zu brennen schien. Die Rosen erblühten und verwelkten an einem einzigen Tag.
    »Ist er stark genug, um die Reise zu überstehen?« fragte der Abt schließlich. »Und ist es nicht eine zu große Bürde für Bruder

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