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Ein ganzes halbes Jahr

Ein ganzes halbes Jahr

Titel: Ein ganzes halbes Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
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wollte und er mitkommen musste. Das bedeutete einen gewissen Wechsel in meiner Argumentation, aber ich wusste, dass ich ihn sonst nicht dazu bringen würde, mich zu begleiten.
    Ich hatte für die nächsten Wochen tatsächlich einen detaillierten Plan aufgestellt. Ich hatte jeden Ausflug sorgfältig in Schwarz in meinen Kalender eingetragen, in Rot die Vorbereitungen, die zu treffen waren, und in Gelb, was ich alles mitnehmen musste. Jedes Mal, wenn ich den Kalender an meiner Tür ansah, stieg Aufregung in mir hoch, sowohl, weil es mir gelungen war, alles so gut zu organisieren, als auch, weil eines dieser Ereignisse vielleicht Wills Standpunkt verändern würde.
    Wie mein Dad immer sagt: Meine Schwester ist in unserer Familie diejenige mit Köpfchen.
    Der Ausflug in die Kunstgalerie dauerte etwas unter zwanzig Minuten, einschließlich der Zeit, die wir brauchten, um auf der Suche nach einem Parkplatz dreimal um den Block zu fahren. Als wir ankamen und ich kaum die Tür hinter uns zugemacht hatte, sagte Will, sämtliche Bilder wären schrecklich. Ich fragte ihn, warum, und er meinte, wenn ich das nicht selbst sehen würde, könnte er es mir nicht erklären. Der Kinobesuch klappte nicht, weil uns die Mitarbeiter mitteilten, dass der Aufzug bedauerlicherweise nicht funktionierte. Andere Sachen, wie der vergebliche Versuch, schwimmen zu gehen, erforderten mehr Zeit und Organisation – die telefonische Anmeldung im Schwimmbad, Nathans Überstunden, und dann, als wir dort waren, die Thermoskanne mit heißer Schokolade, die wir schweigend auf dem Parkplatz tranken, weil sich Will standhaft weigerte, ins Schwimmbad zu gehen.
    Am folgenden Mittwochabend gingen wir zum Konzert eines Sängers, den er einmal in New York gesehen hatte. Das war ein guter Ausflug. Als er die Musik hörte, war er voll konzentriert. Ansonsten war es meistens, als wäre Will nicht ganz präsent, als würde ein Teil von ihm gegen Schmerzen kämpfen oder gegen Erinnerungen und düstere Gedanken. Aber bei Musik war es anders.
    Am nächsten Tag nahm ich ihn zu einer Weinprobe mit, die als Werbeveranstaltung in einem Weinladen durchgeführt wurde. Ich musste Nathan versprechen, darauf zu achten, dass Will nicht betrunken wurde. Ich hielt Will die Gläser zum Riechen hin, und er wusste, was es war, bevor er den Wein probiert hatte. Ich musste mich beherrschen, um nicht loszuprusten, als Will den Wein in den Becher spuckte (es sah wirklich komisch aus), und er zog die Augenbrauen zusammen und meinte, ich wäre total kindisch. Der Besitzer des Weinladens, der am Anfang etwas befremdet darüber war, einen Rollstuhlfahrer dazuhaben, war schließlich höchst beeindruckt von Will. Im Laufe des Nachmittags setzte er sich zu Will und fing an, weitere Flaschen aufzumachen und mit ihm über Anbaugebiete und Traubensorten zu diskutieren, während ich herumspazierte, Etiketten studierte und mich ehrlich gesagt ziemlich langweilte.
    «Kommen Sie her, Clark. Lernen Sie was», sagte Will und nickte in Richtung des Platzes neben sich.
    «Das kann ich nicht. Meine Mum hat mir beigebracht, dass es sich nicht gehört, etwas auszuspucken.»
    Die beiden Männer sahen sich an, als wäre ich die Verrückte. Aber er spuckte nicht jeden Schluck Wein aus. Ich beobachtete ihn. Und er war den Rest des Nachmittags verdächtig gesprächig, gut gelaunt und streitlustig.
    Auf dem Nachhauseweg fuhren wir durch eine Stadt, in der wir normalerweise nie waren, und als wir im Stau standen, sah ich ein Tätowierstudio.
    «Ich wollte schon immer ein Tattoo haben», sagte ich.
    Ich hätte wissen sollen, dass man so etwas in Wills Gegenwart nicht einfach so sagen konnte. Er hatte nichts für Smalltalk und belangloses Gerede übrig. Augenblicklich wollte er wissen, warum ich dann keins hatte.
    «Oh … keine Ahnung. Vermutlich liegt es daran, was die Leute sagen würden, schätze ich.»
    «Warum? Was würden sie denn sagen?»
    «Mein Dad hasst Tätowierungen.»
    «Wie alt sind Sie noch mal?»
    «Patrick hasst sie auch.»
    «Und er tut niemals etwas, das Ihnen möglicherweise nicht gefällt.»
    «Vielleicht würde ich plötzlich Panik kriegen. Oder ich könnte meine Meinung ändern, wenn ich das Ding auf der Haut habe.»
    «Dann könnten Sie es doch immer noch per Laser entfernen lassen, oder?»
    Ich sah ihn im Rückspiegel an. Seine Augen funkelten belustigt.
    «Also», sagte er. «Was für ein Tattoo würden Sie wollen?»
    Ich lächelte unwillkürlich. «Ich weiß nicht. Keine Schlange. Oder den

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