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Ein ganzes halbes Jahr

Ein ganzes halbes Jahr

Titel: Ein ganzes halbes Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
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Namen von irgendwem.»
    «Ich habe auch nicht erwartet, dass es ein Herz mit einem Spruchband sein soll, auf dem ‹Mutter› steht.»
    «Versprechen Sie mir, nicht zu lachen?»
    «Sie wissen, dass ich das nicht versprechen kann. O Gott, Sie wollen doch hoffentlich keinen Sanskrit-Spruch oder so etwas? Was mich nicht tötet, macht mich stärker? »
    «Nein. Ich würde mir eine Biene aussuchen. Eine kleine schwarz-gelbe Biene. Ich liebe Bienen.»
    Er nickte, als wäre das ein vollkommen vernünftiger Wunsch für eine Tätowierung. «Und wo sollte sie sein? Oder darf ich das nicht fragen?»
    Ich zuckte mit den Schultern. «Keine Ahnung. Auf der Schulter? Auf der Hüfte?»
    «Halten Sie an.»
    «Warum? Fühlen Sie sich nicht gut?»
    «Halten Sie einfach an. Da drüben ist ein Parkplatz.»
    Ich stellte das Auto ab und sah ihn an. «Gehen Sie schon», sagte er. «Wir haben heute weiter nichts vor.»
    «Wohin soll ich gehen?»
    «In das Tätowierstudio.»
    Ich lachte. «Ja klar.»
    «Warum nicht?»
    «Sie haben zu viel Wein geschluckt, statt ihn auszuspucken.»
    «Sie haben meine Frage nicht beantwortet.»
    Ich drehte mich zu ihm um. Er meinte es ernst.
    «Ich kann mich nicht tätowieren lassen. Einfach so.»
    «Warum nicht?»
    «Weil …»
    «Weil es Ihrem Freund nicht gefallen könnte? Weil Sie immer noch ein artiges Mädchen sein müssen, sogar mit siebenundzwanzig? Weil es zu unheimlich ist? Los, Clark. Das ist das Leben. Was hält Sie davon ab?»
    Ich starrte zu dem Tätowierstudio. Hinter dem leicht schmierigen Schaufenster prangten ein großes Neonherz und ein paar Fotos von Angelina Jolie und Mickey Rourke.
    Wills Stimme unterbrach meine Gedanken. «Also. Ich mache es auch, wenn Sie es machen.»
    Ich sah ihn wieder an. «Sie lassen sich tätowieren?»
    «Falls es mir gelingt, Sie endlich einmal aus Ihrem engen, kleinen Schneckenhaus herauszulocken.»
    Ich stellte den Motor ab. Wir saßen da und hörten dem Ticken zu, mit dem er abkühlte, und den gedämpften Verkehrsgeräuschen von der Straße.
    «Das hält so ziemlich für immer.»
    «Das ‹so ziemlich› können Sie streichen.»
    «Patrick wird es furchtbar finden.»
    «Das haben Sie schon gesagt.»
    «Und wir kriegen wahrscheinlich Gelbsucht von den schmutzigen Nadeln. Und riskieren einen langsamen, grausamen Tod.» Ich drehte mich wieder zu ihm um. «Vermutlich können sie es gar nicht machen. Nicht jetzt sofort.»
    «Kann sein. Aber sollen wir nicht reingehen und mal fragen?»

    Zwei Stunden später kamen wir aus dem Tätowierstudio, ich war um achtzig Pfund ärmer und hatte ein Operationspflaster auf der Hüfte, wo die Tinte noch trocknete. Weil ich nur ein so kleines Tattoo wollte, hatte der Tätowierer gesagt, konnte ich in einer Sitzung sowohl die Umrisslinien als auch die Farbfelder machen lassen, und das war’s. Es war fertig. Ich war tätowiert. Oder, wie Patrick garantiert sagen würde, fürs Leben entstellt. Unter dem weißen Pflaster hockte eine fette Hummel, die ich aus dem laminierten Ringordner ausgesucht hatte, den uns der Tätowierer gab, als wir hereingekommen waren. Ich war fast hysterisch vor Begeisterung und verdrehte mich so lange, um einen Blick auf die Hummel zu erhaschen, bis Will sagte, ich solle es seinlassen, sonst würde ich mir noch etwas verrenken.
    Will war in dem Studio völlig entspannt und gut gelaunt gewesen, was schon an sich merkwürdig genug war. Sie hatten ihn nicht angegafft. Sie hatten schon ein paar Rollstuhlfahrer tätowiert, erzählten sie, und das erklärte die Selbstverständlichkeit, mit der sie Will behandelten. Sie waren überrascht, als Will sagte, er könnte die Nadel spüren. Sechs Wochen zuvor hatten sie die Tätowierung eines Tetraplegikers fertiggestellt, der sich über die ganze Länge eines Beins ein Trompe-l’Œil-Bionic-Tattoo hatte stechen lassen.
    Der Tätowierer mit dem Bolzen im Ohrläppchen hatte Will in den zweiten Raum mitgenommen und mit der Hilfe meines Tätowierers auf einen speziellen Tisch gelegt, sodass ich durch die offene Tür nur seine Unterschenkel sehen konnte. Ich hörte die beiden dadrinnen murmeln und über das Summen der Tätowiernadel lachen, während mich der Geruch des Desinfektionsmittels in der Nase kitzelte.
    Als die Nadel in meine Haut eindrang, biss ich mir auf die Unterlippe, weil ich nicht wollte, dass mich Will jammern hörte. Ich konzentrierte mich darauf, was er nebenan machte, versuchte, die Unterhaltung zu belauschen, fragte mich, was für ein Tattoo er sich

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