Ein ganzes halbes Jahr
danach war. Gutes Essen. Gute Ärzte. Gute Medikamente, auch Antidepressiva, wenn nötig. Du hast nicht gesagt, wo du wohnst, aber wenn du ihn dazu bringen könntest, mit anderen aus der RMV-Gemeinde zu reden, hilft ihm das vielleicht. Ich habe das zuerst abgelehnt (ich glaube, irgendein Teil von mir wollte nicht zugeben, dass ich wirklich im Rollstuhl sitze), aber es hilft, wenn man weiß, dass man damit nicht allein ist.
Oh, und lass ihn KEINE Filme wie Schmetterling und Taucherglocke sehen. Der zieht ihn garantiert runter!
Lass uns wissen, wie du klarkommst.
Alles Gute
Ritchie
Ich sah nach, worum es in Schmetterling und Taucherglocke ging. ‹Der Film erzählt die Geschichte eines Mannes, der nach einem Schlaganfall vollständig gelähmt ist, und von seinen Versuchen, mit der Außenwelt zu kommunizieren›, stand im Internet. Ich schrieb mir den Titel auf, ohne recht zu wissen, ob ich das tat, weil ich sichergehen wollte, dass Will den Film nicht sah oder weil ich ihn mir selbst ansehen wollte.
Die nächsten beiden Antworten kamen von einem Siebenten-Tags-Adventisten und einem Mann, dessen Vorschläge, wie ich Will aufheitern könnte, ganz bestimmt nicht von meiner Arbeitsbeschreibung abgedeckt wurden. Ich wurde rot und scrollte schnell weiter, weil ich befürchtete, irgendwer könnte über meine Schulter mitlesen. Bei der nächsten Antwort stutzte ich.
Hallo, Busy Bee,
warum soll dein Freund/Pflegefall oder was er sonst ist, seine Meinung ändern? Wenn ich eine Art wüsste, auf die ich würdevoll abtreten kann, ohne damit meine Familie zu zerstören, würde ich es machen. Ich sitze jetzt seit acht Jahren in diesem Stuhl, und mein Leben ist eine unendliche Serie von Demütigungen und Frustrationen. Kannst du dich wirklich in seine Lage versetzen? Weißt du, wie es ist, wenn man nicht mal ohne fremde Hilfe aufs Klo gehen kann? Wie es ist, wenn man weiß, dass man für alle Zeiten jemanden brauchen wird, der einem hilft, ins Bett zu gehen, zu essen, sich anzuziehen und mit der Außenwelt in Kontakt zu kommen? Nie mehr Sex zu haben? Zu wissen, dass man Druckgeschwüre bekommt und dauernd krank ist und irgendwann an ein Beatmungsgerät angeschlossen wird? Du klingst nett, und ich bin sicher, dass du es gut meinst. Aber vielleicht kümmert sich schon nächste Woche jemand anderes um ihn. Und das könnte jemand sein, der ihn deprimiert oder ihn nicht mag. Das liegt, genauso wie alles andere, außerhalb seiner Einflussmöglichkeiten. Wir RMVs wissen genau, wie wenig wir beeinflussen können – wer uns füttert, uns anzieht, uns wäscht, uns die Medikamente verordnet. Mit diesem Bewusstsein zu leben, ist sehr schwer.
Deshalb glaube ich, dass du die falsche Frage stellst. Wer sind die NBs , dass sie entscheiden wollen, wie wir leben? Wenn das jetzt das falsche Leben für deinen Freund ist, sollte dann die Frage nicht lauten: Wie kann ich ihm helfen, es zu beenden?
Mit besten Wünschen
Gforce, Missouri, US
Ich starrte die Nachricht an, meine Finger lagen wie erstarrt auf der Tastatur. Dann scrollte ich weiter. Die nächsten Antworten waren von anderen Tetraplegikern, die Gforce für seine harten Worte kritisierten und erklärten, dass sie für sich einen Weg gefunden hatten, dass sie ihr Leben für lebenswert hielten. Daran schloss sich eine kontroverse Diskussion an, die im Grunde überhaupt nichts mit Will zu tun hatte.
Dann wandte sich das Forum wieder meiner Ausgangsfrage zu. Es gab Vorschläge zu Antidepressiva, Massagen, Berichte von Wunderheilungen und davon, wie das Leben der Forumsmitglieder wieder neue Bedeutung erhalten hatte. Es gab auch ein paar konkrete Vorschläge: Weinproben, Konzerte, Ausstellungen, spezielle Keyboards.
«Eine Lebenspartnerin», sagte Grace31 aus Birmingham. «Wenn er Liebe bekommt, wird er die Kraft zum Weitermachen haben. Ohne Liebe wäre ich schon oft zusammengebrochen.»
Dieser Satz echote noch lange durch meinen Kopf, nachdem ich aus der Bibliothek gegangen war.
Will wurde am Donnerstag aus dem Krankenhaus entlassen. Ich holte ihn ab und brachte ihn nach Hause. Er war blass und entkräftet und starrte den ganzen Tag lustlos aus dem Fenster.
«Im Krankenhaus kann man nie schlafen», erklärte er, als ich ihn fragte, ob alles okay war. «Immer stöhnt irgendwer im Nachbarbett.»
Ich erklärte ihm, dass er sich übers Wochenende erholen könne, ich danach aber eine Reihe Ausflüge geplant hatte. Und ich erklärte ihm, dass ich seinen Rat befolgte und neue Sachen ausprobieren
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