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Ein ganzes halbes Jahr

Ein ganzes halbes Jahr

Titel: Ein ganzes halbes Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
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folgte ihr durch einen riesigen Raum mit hohen französischen Fenstern. Schwere Vorhänge hingen elegant drapiert an dicken Mahagonistangen, und auf dem Boden lagen Perserteppiche mit verschlungenen Mustern. Es roch nach Bienenwachs und antiken Möbeln. Überall standen kleine, edle, blankpolierte Beistelltische mit Zierdöschen herum. Ich fragte mich kurz, wo um alles in der Welt die Traynors ihre Teetassen abstellten.
    «Sie sind also über unsere Stellenannonce beim Jobcenter hergekommen, nicht wahr? Bitte, nehmen Sie Platz.»
    Während sie in ihren Unterlagen blätterte, sah ich mich verstohlen um. Ich hatte erwartet, in dem Haus würde es ungefähr wie in einem Pflegeheim aussehen, rollstuhlgerecht und mit hygienisch abwischbaren Oberflächen. Aber es wirkte eher wie eins von diesen erschreckend teuren Hotels, alles atmete altes Geld und stand voller liebgewordener Dinge, die vermutlich sehr wertvoll waren. Auf einem Sideboard schimmerten silbergerahmte Fotos, aber sie waren zu weit weg, als dass ich die Gesichter hätte erkennen können. Während Mrs. Traynor die Papiere durchlas, rutschte ich auf meinem Platz herum, um mich besser umsehen zu können.
    Und da hörte ich es – das unverkennbare Geräusch, mit dem eine Naht reißt. Als ich den Blick senkte, sah ich, dass die seitliche Rocknaht an meinem rechten Oberschenkel nachgegeben hatte und ausgefranster Nähfaden unschön an den Rändern hochstand.
    Ich fühlte, wie mir die Röte ins Gesicht schoss.
    «Also … Miss Clark … haben Sie Erfahrung mit Tetraplegie?»
    Ich sah Mrs. Traynor an und zog dabei an meinem Jackett, um so viel wie möglich von dem Rock damit zu verdecken.
    «Nein.»
    «Waren Sie lange in der Pflege tätig?»
    «Also … eigentlich habe ich so etwas noch nie gemacht», sagte ich und fügte hinzu, als könnte ich Syeds Ermahnungen hören, «aber ich bin sicher, dass ich es lernen kann.»
    «Wissen Sie, was ein Tetraplegiker ist?»
    Ich zögerte. «Wenn jemand … in einem Rollstuhl sitzt?»
    «Ich vermute, so könnte man es auch sagen. Es gibt mehrere Schweregrade, aber in diesem Fall geht es um den vollständigen Bewegungsverlust der Beine und eine sehr eingeschränkte Bewegungsfreiheit der Hände und Arme. Haben Sie damit Probleme?»
    «Na ja, bestimmt weniger Probleme als er, schätze ich.» Ich setzte ein Lächeln auf, aber Mrs. Traynors Miene blieb ausdruckslos. «Sorry, ich wollte nicht …»
    «Können Sie Auto fahren, Miss Clark?»
    «Ja.»
    «Keine Punkte auf dem Konto?»
    Ich schüttelte den Kopf.
    Camilla Traynor hakte etwas auf ihrer Liste ab.
    Der Riss wurde größer. Ich sah ihn unaufhaltsam an meinem Oberschenkel hinaufkriechen. Wenn es so weiterging, konnte ich mich beim Aufstehen nachher als Showgirl in Las Vegas bewerben.
    «Alles in Ordnung?» Mrs. Traynor sah mich an.
    «Es ist nur ein bisschen warm. Haben Sie etwas dagegen, wenn ich das Jackett ausziehe?» Bevor sie etwas sagen konnte, schlüpfte ich in einer fließenden Bewegung aus dem Jackett und schlang es mir um die Hüfte, sodass es die offene Rocknaht bedeckte. «Es ist wirklich sehr warm», sagte ich und lächelte sie an, «wenn man gerade von draußen hereinkommt.»
    Nach einer winzigen Pause senkte Mrs. Traynor ihren Blick wieder auf ihre Unterlagen. «Wie alt sind Sie?»
    «Ich bin sechsundzwanzig.»
    «Und Ihre vorhergehende Stelle hatten Sie sechs Jahre lang.»
    «Ja. Mein Zeugnis müsste bei den Unterlagen sein.»
    «Mm …» Mrs. Traynor hob es hoch und sagte mit zusammengekniffenen Augen: «Ihr früherer Arbeitgeber schreibt, Sie wären ‹herzlich, gesprächig und würden Lebensfreude in Ihr Arbeitsumfeld bringen›.»
    «Ja, ich hab ihn dafür bezahlt.»
    Wieder das Pokerface.
    O Mist , dachte ich.
    Es war, als würde ich genauestens analysiert. Und nicht unbedingt mit positivem Resultat. Der Rock meiner Mutter kam mir auf einmal billig vor, der Synthetikstoff schimmerte im Licht. Ich hätte einfach meine schlichtesten Hosen und eine Bluse tragen sollen. Alles, bloß nicht dieses Kostüm.
    «Und warum haben Sie die Stelle aufgegeben, wenn Sie dort so geschätzt wurden?»
    «Frank – der Besitzer – hat das Café verkauft. Es ist das unten bei der Burg. Das Buttered Bun. War», korrigierte ich mich. «Ich wäre gern geblieben.»
    Mrs. Traynor nickte, entweder weil sie fand, dass es dazu nichts zu sagen gab, oder weil auch sie sich gefreut hätte, wenn ich dortgeblieben wäre.
    «Und welche Pläne haben Sie für Ihr Leben?»
    «Wie

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