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Ein ganzes halbes Jahr

Ein ganzes halbes Jahr

Titel: Ein ganzes halbes Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
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kletterte auf das Bett und rollte ihn so sanft wie möglich herum. Er strahlte keine ungesunde Hitze mehr aus, nur die gewöhnliche Wärme eines Körpers, der im Bett lag.
    «Kann ich sonst noch etwas tun?»
    «Sollten Sie sich nicht auf den Heimweg machen?»
    «Das ist schon in Ordnung», sagte ich. «Ich bleibe über Nacht.»
    Draußen war es schon lange dunkel geworden. Es schneite immer noch. Der schwache Schein der Verandabeleuchtung tauchte die Flocken draußen vor dem Fenster in schwachgoldenes, seltsam melancholisches Licht. Ich saß neben Will auf dem Bett, und in friedlichem Schweigen betrachteten wir den hypnotisch wirkenden Anblick.
    «Darf ich Sie etwas fragen?», sagte ich schließlich. Ich sah seine Hände auf dem Laken. Es erschien mir merkwürdig, dass sie so normal aussahen, so kräftig, und doch so nutzlos sein sollten.
    «Ich vermute, das werden Sie so oder so tun.»
    «Was ist passiert?» Ich machte mir zwar immer noch Gedanken über die Narben an seinen Handgelenken, aber danach konnte ich ihn bestimmt nicht direkt fragen.
    Er wandte mir den Blick zu. «Wie ich in diese Situation gekommen bin?»
    Als ich nickte, schloss er kurz die Augen. «Motorradunfall. Aber ich saß nicht drauf. Ich war der unschuldige Fußgänger.»
    «Ich dachte, es wäre beim Skifahren oder einem Bungee-Sprung passiert.»
    «Das denken alle. Damit hat sich Gott einen kleinen Witz gegönnt. Ich bin nur vor meinem Haus über die Straße gegangen. Nicht hier», sagte er. «Vor meiner Londoner Wohnung.»
    Ich starrte die Bücher im Regal an. Außer den Romanen und den abgegriffenen Taschenbüchern standen viele Sachbücher darin. Firmenrecht, Geschäftsübernahme , Namensverzeichnisse, mit denen ich nichts anfangen konnte.
    «Und es gab überhaupt keine Möglichkeit, in Ihrem Beruf weiterzumachen?»
    «Nein. Und auch nicht mit der Wohnung, mit den Urlaubsreisen, mit dem Leben … Meine Ex-Freundin haben Sie ja kennengelernt.» Er konnte die Bitterkeit in seiner Stimme nicht verbergen. «Aber vermutlich sollte ich trotzdem dankbar sein, denn zuerst sah es so aus, als würde ich überhaupt nicht am Leben bleiben.»
    «Und hassen Sie es? Hier zu wohnen, meine ich.»
    «Ja.»
    «Könnten Sie denn nicht trotzdem wieder in London leben?»
    «Nein, in diesem Zustand nicht.»
    «Aber es könnte doch besser werden. Ich meine, Nathan hat gesagt, es gibt alle möglichen Fortschritte bei der Behandlung solcher Verletzungen.»
    Wieder schloss er kurz die Augen.
    Ich wartete ab, dann beugte ich mich über ihn und zog das Kissen hinter seinem Kopf und das Laken über seiner Brust zurecht. «Entschuldigung», sagte ich und richtete mich auf. «Ich wollte Sie mit meinen Fragen nicht belästigen. Soll ich gehen?»
    «Nein. Bleiben Sie noch ein bisschen. Reden Sie mit mir.» Er schluckte und sah mich an. Er wirkte unendlich müde. «Erzählen Sie mir was Schönes.»
    Ich zögerte einen Moment, dann lehnte ich mich an das Kissen neben ihm. So saßen wir im schwachen Schein der Nachttischlampe und schauten wieder zu den Schneeflocken hinaus, die nach ihrem kurzen Weg durch den Lichtkegel in die schwarze Nacht verschwanden.
    «Wissen Sie … dasselbe habe ich meinen Vater oft gebeten», erklärte ich schließlich. «Aber wenn ich Ihnen erzähle, was er dann immer gemacht hat, halten Sie mich für verrückt.»
    «Mehr als ohnehin schon?»
    «Wenn ich einen Albtraum hatte oder traurig war oder mich vor irgendwas fürchtete, hat er mir immer …» Ich fing an zu lachen. «Oh … ich kann es nicht.»
    «Reden Sie weiter.»
    «Dann hat er mir immer den Molahonkey-Song vorgesungen.»
    «Den was?»
    «Den Molahonkey-Song. Früher dachte ich immer, den kennt jeder.»
    «Glauben Sie mir, Clark», murmelte er. «Ich bin eine Molahonkey-Jungfrau.»
    Ich holte tief Luft, schloss die Augen und begann zu singen.
Ich wün-nün-nünschte-te mi-mi-mir, ich wohn-non-nonte-te im Molahonkey-La-la-land
Dem La-la-land, in dem ich-ich-ich gebo-bo-bo-re-re-ren bi-bi-bin
Dann kön-nön-nönte-te ich auf mein-nein-neinem al-al-alten Ban-jo-jo-jo spie-spie-spielen
Ab-ab-aber mei-nein-nein al-al-altes Ban-jo-jo-jo will-ill-ill nicht funktionier-rier-ren
    «O mein Gott.»
    Ich holte erneut Luft.
Dan-nan-nann geh-he-he ich zur-rur-rur Werk-statt-statt rein
Die-die-die sol-lol-lolen et-et-etwas mach-ach-achen
Sie-sie-sie sag-gag-gagen mir, die Sait-tait-taiten sind geriss-siss-sissen
Die-die-die kann-nan-nanst du-du-du nich-ich-icht mehr gebrauch-rauch-rauchen
    Darauf

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