Ein ganzes halbes Jahr
Sonnenschein, die Luft war auf einmal mild. Die Vögel zwitscherten, und eine Ahnung von Blütenduft und Freude lag in der Luft.
Ich bekam nichts davon mit. Ich hatte bei Patrick übernachtet. Ich hatte ihn wegen seiner erweiterten Trainingszeiten seit einer Woche nicht gesehen, und nachdem er abends vierzig Minuten mit reichlich Badesalz in der Wanne gelegen hatte, war er so erledigt, dass er kaum noch sprechen konnte. Im Bett hatte ich ihm in einem meiner seltenen Versuche, ihn zu verführen, den Rücken gestreichelt, und er hatte gemurmelt, er wäre wirklich zu müde, und dabei gezuckt, als wollte er meine Hand abschütteln. Ich lag noch vier Stunden später wach und starrte an die Decke.
Patrick und ich hatten uns kennengelernt, als ich meinen einzigen anderen Job gehabt hatte, und zwar als Auszubildende bei The Cutting Edge , Hailsburys einzigem Unisex-Friseursalon. Er kam herein, als die Besitzerin des Salons, Samantha, gerade beschäftigt war, und bat um einen Haarschnitt. Ich verpasste ihm einen Schnitt, den er später nicht nur als den schlechtesten Haarschnitt, den er je gehabt hatte, beschrieb, sondern auch als den schlechtesten Haarschnitt, den es in der Menschheitsgeschichte jemals gegeben hätte. Drei Monate später hatte ich erkannt, dass meine Vorliebe dafür, mit meiner eigenen Frisur zu experimentieren, nicht unbedingt mit einer Begabung fürs Haareschneiden bei anderen verbunden war. Ich kündigte im Friseursalon und bekam von Frank den Job im Café.
Als Patrick und ich uns kennenlernten, arbeitete er als Verkäufer, und auf seiner Favoritenliste standen Bier, Tankstellen-Schokoriegel und Gespräche über Sport und Sex (machen, nicht darüber reden), und zwar in dieser Reihenfolge. Ein gelungener Abend konnte alle vier Elemente enthalten. Er sah mehr durchschnittlich als gut aus, und sein Hintern war dicker als meiner, aber das fand ich gut. Ich mochte Patricks Behäbigkeit und wie er sich anfühlte, wenn ich mich an ihn kuschelte. Sein Vater war schon seit langem tot, und mir gefiel die fürsorgliche Art, mit der er seine Mutter behandelte. Und seine vier Brüder und Schwestern waren wie die Waltons. Sie schienen sich wirklich gernzuhaben. Als wir das erste Mal zusammen ausgingen, sagte eine kleine Stimme in meinem Kopf: Dieser Mann wird dich niemals verletzen , und in den sieben Jahren danach hat er nichts getan, was mich daran hat zweifeln lassen.
Und dann verwandelte er sich in den Marathon-Mann.
Patricks Bauch gab nicht länger nach, wenn ich mich an ihn schmiegte. Er war hart und fest wie ein Brett, und Patrick zog gern sein Hemd hoch und knallte sich irgendwelche Sachen an den Bauch, um zu beweisen, wie muskulös er war. Sein Gesicht war ledrig und verwittert von all der Zeit, die er im Freien trainierte. Seine Oberschenkel waren reine Muskelmasse. Das wäre ja vielleicht sogar sexy gewesen, wenn er sich noch für Sex interessiert hätte. Aber wir lagen inzwischen bei zweimal pro Monat, und ich gehörte nicht zu den Frauen, die um Sex betteln.
Es war, als würde er sich, je fitter und besessener von seinem eigenen Körper er wurde, umso weniger für meinen interessieren. Ich fragte ihn ein paarmal, ob er überhaupt noch Lust auf mich hatte, und bekam eindeutige Antworten. «Du bist sagenhaft», sagte er. «Ich bin bloß völlig kaputt. Auf jeden Fall will ich nicht, dass du abnimmst. Die Mädels im Verein – die bekämen nicht mal ein ordentliches Paar Titten hin, wenn sie alle zusammenlegen.» Ich wollte ihn fragen, wie genau er zu dem Ergebnis dieser komplexen Gleichung gekommen war, aber er hatte es ja nett gemeint, also ließ ich es ihm durchgehen.
Ich wollte mich für das interessieren, was er tat, ehrlich. Ich ging zu den Vereinsabenden des Triathlon-Clubs, und ich versuchte, mit den anderen Frauen zu plaudern. Aber mir fiel bald auf, dass ich eine absolute Ausnahme war. Es gab dort keine Freundinnen wie mich. In diesem Verein waren alle entweder Single, oder sie waren mit jemandem zusammen, der genauso fit war wie sie selbst. Die Paare trieben sich beim Training gegenseitig an, planten Wochenenden in Elastan-Shorts, hatten Fotos in den Brieftaschen, auf denen sie Hand in Hand beim Triathlon-Zieleinlauf zu sehen waren, oder verglichen selbstgefällig mit den anderen ihre Medaillen. Es war unbeschreiblich.
«Ich weiß nicht, warum du dich beschwerst», sagte meine Schwester, wenn ich ihr davon erzählte. «Ich hatte seit Thomas genau ein einziges Mal Sex.»
«Was? Und mit
Weitere Kostenlose Bücher