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Ein ganzes halbes Jahr

Ein ganzes halbes Jahr

Titel: Ein ganzes halbes Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
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Schluss landen sie nicht mal auf ihrem Teller.»
    Wills Stimme klang zu uns herauf. «Und wie viele Rennen müssen wir uns noch ansehen, bis Sie Ihren langgehegten Traum erfüllt haben?»
    «Seien Sie nicht so muffelig. Es heißt doch, man soll im Leben alles einmal ausprobieren», sagte ich.
    «Ich glaube, Pferderennen fallen in die Kategorie ‹alles außer Inzest und Volkstanz›.»
    «Sie predigen mir doch immer, dass ich meinen Horizont erweitern soll. Außerdem gefällt es Ihnen unheimlich gut hier», sagte ich. «Versuchen Sie gar nicht erst, mir etwas anderes vorzumachen.»
    Und dann startete das Rennen. Man Oh Mans Jockey trug einen violetten Seidenblouson mit einer gelben Raute.
    «Los, schneller, Kumpel!» Nathan konnte sich nicht mehr zurückhalten. Seine Fäuste waren geballt, sein Blick hing an der verschwommenen Gruppe der Rennpferde, die gerade die Gegengerade entlanggaloppierte.
    «Los, Man Oh Man!», schrie ich. «Von dir hängt unser Mittagessen ab!» Ich beobachtete, wie er erfolglos versuchte, Boden gutzumachen, die Nüstern geweitet, die Ohren flach zurückgelegt. Mein Herz raste. Und dann, als sie die Zielgerade erreichten, wurden meine Anfeuerungsrufe immer schwächer. «Na gut, ein Kaffee», sagte ich. «Ich übernehme einen Kaffee.»
    Die Leute auf der Tribüne waren in lautes Rufen ausgebrochen. Zwei Plätze weiter hüpfte ein Mädchen auf und ab, die Stimme schon ganz heiser vom Schreien. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen. Und als ich einen Blick nach unten warf, sah ich, dass Will die Augen geschlossen und eine steile Falte auf der Stirn hatte. Ich riss mich von dem Rennen los und beugte mich zu ihm.
    «Alles okay, Will?», sagte ich. «Brauchen Sie irgendetwas?» Ich musste beinahe brüllen, damit er mich über all den Lärm hinweg verstand.
    «Scotch», sagte er. «Einen doppelten.»
    Ich starrte ihn an, und er hob den Blick zu mir. Er wirkte, als hätte er die Nase endgültig voll.
    «Essen wir etwas», sagte ich zu Nathan.
    Man Oh Man, dieser vierbeinige Blender, kam auf einem miserablen sechsten Platz über die Ziellinie. Neuer Jubel, und dann ertönte die Stimme des Ansagers aus den Lautsprechern: Ladies and Gentlemen, ein klarer Sieg für Love Be A Lady auf dem ersten Platz, gefolgt von Winter Sun und Barney Rubble zwei Längen danach auf dem dritten Platz .
    Ich schob Wills Stuhl zwischen unaufmerksamen Leuten hindurch und fuhr ihnen absichtlich in die Hacken, wenn sie auf meine zweite Bitte, Platz zu machen, nicht reagiert hatten.
    Wir waren gerade beim Aufzug angekommen, als Will sagte: «Und, Clark? Heißt das jetzt, dass Sie mir vierzig Pfund schulden?»

    Das Restaurant war frisch renoviert, und die Küche stand unter der Leitung eines Fernsehkochs, dessen Gesicht von mehreren Plakaten an der Rennstrecke heruntergrinste. Die Speisekarte hatte ich mir schon online angesehen.
    «Das Spezialgericht ist Ente in Orangensoße», erklärte ich den beiden Männern. «Anscheinend machen sie einen auf Siebziger-Jahre-Retro.»
    «Gilt ja auch für Ihre Kleidung», sagte Will.
    Aus der Kälte heraus und ein Stück von dem Gedränge entfernt, schien sich seine Laune zu bessern. Er hatte angefangen, sich umzusehen, statt weiter in sich zurückgezogen dazusitzen. Mein Magen begann zu knurren, weil ich schon an ein gutes, warmes Mittagessen dachte. Wills Mutter hatte uns achtzig Pfund «Startkapital» gegeben. Ich hatte beschlossen, mein Essen selbst zu bezahlen und ihr die Rechnung zu zeigen, und deswegen musste ich mich nicht zurückhalten und konnte mir bestellen, was immer mich auf der Karte anlachte – selbst einen Retro-Entenbraten.
    «Mögen Sie Restaurants, Nathan?», fragte ich.
    «Ich bin mehr so ein Bier-und-Imbiss-Typ», sagte Nathan. «Aber heute bin ich natürlich gern dabei.»
    «Wann waren Sie das letzte Mal essen, Will?»
    Er und Nathan wechselten einen Blick. «Nicht, solange ich da bin», sagte Nathan.
    «Seltsamerweise bin ich nicht gerade wahnsinnig versessen darauf, mich vor Fremden füttern zu lassen.»
    «Dann nehmen wir einen Tisch, an dem Sie mit dem Rücken zum Raum sitzen», sagte ich. So etwas hatte ich schon geahnt. «Und falls irgendwelche Promis rumlaufen, haben Sie eben Pech gehabt.»
    «Weil sich die Promis auf einer zweitklassigen Rennbahn an einem verregneten Märztag ja nur so drängeln.»
    «Sie werden mir diesen Ausflug nicht verderben, Will Traynor», sagte ich, während die Lifttüren aufglitten. «Das letzte Mal auswärts gegessen habe ich bei

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