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Ein ganzes halbes Jahr

Ein ganzes halbes Jahr

Titel: Ein ganzes halbes Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
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unvorhergesehenen Tief verdrängt worden. Natürlich hatte ich keinen Schirm mitgenommen. Ich fing mit einem endlosen, fröhlichen Geplapper darüber an, wie lustig und verrückt das war, und sogar ich selbst bekam mit, wie angespannt und nervig ich klang.
    «Clark», sagte Will schließlich. «Entspannen Sie sich einfach, okay? Sie werden anstrengend.»
    Wir kauften Tickets für die Tribüne, und mir wurde ganz schwach vor Erleichterung, als wir es endlich bis dorthin geschafft hatten. Ich schob Will an eine überdachte Stelle neben der Haupttribüne. Während Nathan etwas zu trinken für Will herausholte, hatte ich Zeit, mir die anderen Rennbahnbesucher anzusehen.
    Es war eigentlich sehr angenehm dort unten an der Tribüne, trotz der gelegentlichen Regenböen. Über uns stießen auf einem verglasten Balkon Männer in Anzügen und Frauen in Cocktailkleidern mit Champagnergläsern an. Es sah dort warm und gemütlich aus, vermutlich war es der sogenannte A-Bereich, neben dem am Kartenschalter astronomische Preise gestanden hatten. Die Leute trugen kleine Anstecker mit roten Bändern, die sie als etwas Besonderes auszeichneten. Ich überlegte kurz, ob wir unsere blauen irgendwie austauschen könnten, aber dann fand ich, dass wir wohl zu auffällig waren, weil es außer uns niemanden mit einem Rollstuhl gab.
    Neben uns auf der Tribüne standen Männer in Tweedanzügen, die sich entweder mit Kaffee oder dem Inhalt ihrer Flachmänner wärmten, und Frauen mit eleganten Steppjacken. Sie wirkten ein bisschen normaler, und ihre kleinen Anstecker waren auch blau. Ich vermutete, dass viele von ihnen Reitlehrer oder Stallbesitzer waren oder auf eine andere Art mit Pferden zu tun hatten. Ganz vorne standen neben Schreibtafeln die Buchmacher und gaben mit seltsamen, weit ausholenden Armbewegungen irgendwelche Zeichen, die ich nicht verstand. Dann schrieben sie neue Zahlenkombinationen an ihre Tafeln, die sie bald darauf wieder mit ihren Ärmeln wegwischten.
    Außerdem stand am Vorführplatz der Pferde eine Gruppe Männer in gestreiften Polohemden. Sie hatten Bierdosen in der Hand und schienen eine Art Herrentag zu begehen. Ihre rasierten Schädel deuteten darauf hin, dass sie beim Militär waren. Ab und zu sangen sie ein Lied oder fingen lautstark an zu streiten, wobei sie mit den Köpfen gegeneinanderstießen oder den Gegner in den Schwitzkasten nahmen. Als ich an ihnen vorbei zur Toilette ging, pfiffen sie mir in meinem Minirock hinterher (ich war anscheinend die Einzige auf der Tribüne, die einen Rock trug), und ich streckte hinter meinem Rücken den Mittelfinger hoch. Aber da hatten sie schon das Interesse verloren. Gerade trabten sieben oder acht Pferde heran und wurden in die Startkabinen manövriert, weil das nächste Rennen bevorstand.
    Zurück bei der Tribüne, fuhr ich zusammen, als die Leute um uns herum unvermittelt anfingen zu brüllen und die Pferde aus der Startmaschine schossen. Ich stand nur da und war mit einem Mal wie gebannt, unfähig, die Aufregung zu unterdrücken, als sie mit fliegenden Schwänzen vorbeikamen, wie wild von den Jockeys in den leuchtenden Jacken angetrieben, weil alle um eine Platzierung kämpften. Als der Gewinner über die Ziellinie kam, war es beinahe unmöglich, nicht loszujubeln.
    Wir sahen den Sisterwood Cup und dann den Maiden Stakes, und Nathan gewann sechs Pfund bei einer kleinen Sieg-oder-Platz-Wette. Will hatte keine Lust zu wetten. Er sah sich jedes Rennen an, aber er war schweigsam und hatte den Kopf tief in den hohen Kragen seiner Jacke zurückgezogen. Ich dachte, er sei vielleicht inzwischen schon so lange nicht mehr aus dem Haus gekommen, dass die gesamte Außenwelt seltsam auf ihn wirkte, und ich beschloss, das einfach nicht zur Kenntnis zu nehmen.
    «Ich glaube, jetzt kommt Ihr Rennen, der Hempworth Cup», sagte Nathan mit einem Blick auf die Anzeigetafel. «Auf welchen Gaul haben Sie noch mal gesetzt? Man Oh Man?» Er grinste. «Mir war gar nicht klar, dass es noch viel mehr Spaß macht zu wetten, wenn man sich das Rennen tatsächlich anschaut .»
    «Ehrlich gesagt, war ich noch nie bei einem Pferderennen», erklärte ich Nathan.
    «Das soll wohl ein Witz sein.»
    «Ich bin auch noch nie geritten. Meine Mum fürchtet sich unheimlich vor Pferden. Wollte mich nicht mal in einen Pferdestall gehen lassen.»
    «Meine Schwester in Christchurch hat zwei Pferde. Sie behandelt sie wie richtige Babys. Steckt ihr ganzes Geld in die Viecher.» Er zuckte mit den Schultern. «Und am

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