Ein ganzes halbes Jahr
ertragen, wie dieser Ausflug endete.
«Ich glaube, wir brauchen Hilfe», sagte Nathan. «Ich bekomme den Stuhl nicht mal mehr auf den Weg zurück, er steckt fest.»
Will seufzte laut. Er sah so genervt aus, wie ich ihn noch nie erlebt hatte.
«Ich könnte Sie auf den Vordersitz heben, Will, wenn ich die Rückenlehne ein bisschen nach hinten stelle. Und dann könnten Louisa und ich versuchen, den Stuhl ins Auto zu bekommen.»
Will sagte durch zusammengebissene Zähne: «Ich beende diesen Tag nicht damit, dass ich über Ihrer Schulter hänge.»
«Sorry, Kumpel», sagte Nathan. «Aber Louisa und ich schaffen das nicht allein. Also, Lou, Sie sind hübscher als ich. Gehen Sie los und besorgen Sie uns ein paar kräftige Typen, okay?»
Will schloss die Augen, presste den Mund zusammen, und ich rannte zur Tribüne.
Ich hätte nie geglaubt, wie viele Leute eine Bitte um Hilfe ablehnen, wenn es um einen Rollstuhl geht, der im Schlamm stecken geblieben ist. Besonders, wenn die Bitte von einem Mädchen im Minirock vorgetragen wird, das sein nettestes Lächeln aufgesetzt hat. Ich gehe normalerweise nicht so schnell auf Fremde zu, aber die Verzweiflung verlieh mir Mut.
Ich lief bei der Haupttribüne von einer Gruppe zur anderen und fragte, ob jemand ein paar Minuten Zeit hätte, um uns zu helfen. Sie sahen mich und meine Aufmachung an, als wollte ich sie in eine Falle locken.
«Es geht um einen Mann in einem Rollstuhl», sagte ich. «Er ist stecken geblieben.»
«Wir warten gerade auf das nächste Rennen», sagten sie. Oder: «Tut mir leid.» Oder: «Ich habe erst nach dem Rennen um halb drei Zeit. Da haben wir einen Fünfhunderter gesetzt.»
Ich überlegte, ob ich ein oder zwei Jockeys fragen sollte. Aber als ich zu der Koppel kam, stellte ich fest, dass sie sogar noch kleiner waren als ich.
Als ich den Vorführplatz erreichte, kochte ich vor unterdrückter Wut. Vermutlich habe ich die Leute bloß noch angeknurrt und auch nicht mehr gelächelt. Und dort, endlich, Freude über Freude, waren die Männer mit den gestreiften Polohemden. Auf den Rücken ihrer Hemden stand ‹Markys letztes Gefecht›, und sie hielten sich an Dosen mit Pils und Tennant’s Extra fest. Ihrer Aussprache zufolge stammten sie aus dem Nordosten, und ich war ziemlich sicher, dass sie während der letzten vierundzwanzig Stunden beim Trinken keine nennenswerte Pause eingelegt hatten. Sie fingen an zu pfeifen, als ich auf sie zuging, und ich musste mich beherrschen, damit ich ihnen nicht wieder den Finger zeigte.
«Guck doch nicht so giftig, Süße. Wir feiern dieses Wochenende Markys Junggesellenabschied», lallte einer und knallte mir seine Riesenpranke auf die Schulter.
«Heute ist Montag.» Ich versuchte, keine Miene zu verziehen, als ich seine Hand von meiner Schulter schob.
«Was? Machst du Witze? Schon Montag?» Er schwankte einen Schritt zurück.
«Trotzdem, ein Küsschen kannst du ihm doch geben, was?»
«Eigentlich», sagte ich, «wollte ich Sie um Hilfe bitten.»
«Ah, von mir kriegst du jede Hilfe, die du brauchst, Mausi.» Dieses Angebot begleitete er mit einem lüsternen Zwinkern.
Seine Freunde standen um ihn herum und schwankten wie Wasserpflanzen.
«Das ist nett, aber danke, wirklich. Ich brauche Ihre Hilfe für einen Freund. Drüben auf dem Parkplatz.»
«Ahm, sorry, ich glaub, ehrlich gesagt, ich bin nicht ganz in der Verfassung, um irgendwem zu helfen, Mausi.»
«He, Achtung. Jetzt kommt das nächste Rennen, Marky. Da hast du doch ’ne Wette laufen, oder? Ich glaub, bei dem hast du ’ne Wette laufen.»
Sie drehten sich wieder zur Rennstrecke um, und ich war vergessen. Ich warf einen Blick über die Schulter zum Parkplatz, sah die zusammengesunkene Gestalt Wills und Nathan, der erfolglos an den Griffen des Rollstuhls zerrte. Ich stellte mir vor, wie ich zurückkam und Wills Eltern erzählte, dass wir den hyperteuren Rollstuhl auf einem Parkplatz hatten stehen lassen. Und dann sah ich das Tattoo.
«Er ist Soldat», sagte ich laut. «Ex-Soldat.»
Einer nach dem anderen drehten sie sich wieder zu mir um.
«Er ist verletzt worden. Im Irak. Wir wollten einfach nur, dass er mal einen schönen Tag hat. Aber niemand will uns helfen.» Während ich redete, spürte ich, wie mir die Tränen in die Augen stiegen.
«Ein Veteran? Verarschst du uns auch nicht? Wo ist er?»
«Auf dem Parkplatz. Ich habe schon so viele Leute gefragt, aber sie wollen uns einfach nicht helfen.»
Es kam mir vor, als würde es eine Minute dauern,
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