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Ein ganzes halbes Jahr

Ein ganzes halbes Jahr

Titel: Ein ganzes halbes Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
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O’Connor mit nach Hause. Lesen Sie lieber das.»
    Ich wollte gerade nein sagen, als mir auffiel, dass ich eigentlich nicht wusste, warum ich ablehnen wollte. «Na gut. Ich bringe das Buch zurück, sobald ich damit fertig bin.»
    «Legen Sie mir eine CD ein, Clark?»
    «Was möchten Sie hören?»
    Er sagte es mir, nickte in die ungefähre Richtung der CD, und ich suchte, bis ich sie gefunden hatte.
    «Ich habe einen Freund, der die erste Geige in der Albert Symphonia spielt. Er hat angerufen, um zu sagen, dass sie nächste Woche hier in der Nähe ein Konzert geben. Es ist dieses Stück hier. Kennen Sie es?»
    «Ich habe keine Ahnung von klassischer Musik. Ich meine, manchmal stellt mein Dad im Radio versehentlich den Klassiksender ein, aber …»
    «Sie waren noch nie bei einem Konzert?»
    «Nein.»
    Er war richtig schockiert.
    «Na ja, ich war einmal bei Westlife. Aber ich glaube, das zählt nicht, oder? Das hatte meine Schwester ausgesucht. Oh, und an meinem zweiundzwanzigsten Geburtstag wollte ich zu Robbie Williams, aber dann hatte ich eine Lebensmittelvergiftung.»
    Will sah mich mit diesem Blick an – diesem Blick, bei dem man auf die Idee kommen könnte, irgendwer hätte mich ein paar Jahre in einen Keller gesperrt.
    «Sie sollten hingehen. Er hat mir Karten angeboten. Es wird bestimmt sehr gut. Nehmen Sie Ihre Mutter mit.»
    Ich schüttelte lachend den Kopf. «Das wird nichts. Meine Mutter geht eigentlich nie aus. Und mein Ding ist es auch nicht.»
    «So wie Filme mit Untertiteln nicht Ihr Ding waren?»
    Ich sah ihn mit gerunzelter Stirn an. «Ich bin nicht Ihr Bildungsprojekt, Will. Wir sind hier nicht bei My Fair Lady .»
    «Pygmalion.»
    «Was?»
    «Das Stück, auf das Sie anspielen. Es heißt Pygmalion . My Fair Lady ist nur eine billige Kopie.»
    Ich funkelte ihn an. Es funktionierte nicht. Ich legte die CD ein. Als ich mich zu ihm umdrehte, schüttelte er immer noch den Kopf.
    «Sie sind ein schrecklicher Snob, Clark.»
    «Was? Ich? »
    «Sie lehnen alles Mögliche ab, weil Sie sich einreden, Sie wären ‹nicht die Richtige dafür›.»
    «Aber das bin ich auch nicht.»
    «Woher wissen Sie das denn? Sie haben noch nichts getan im Leben, nichts gesehen. Woher wollen Sie denn da auch nur die geringste Ahnung davon haben, was für ein Mensch Sie sind?»
    Und woher wollte einer wie er die geringste Ahnung davon haben, wie sich mein Leben anfühlte? Ich wurde beinahe böse auf ihn, weil er es einfach nicht verstehen wollte.
    «Gehen Sie hin. Seien Sie mal ein bisschen offen.»
    «Nein.»
    «Warum?»
    «Weil es mir unangenehm wäre. Ich hätte das Gefühl … Ich hätte das Gefühl, dass sie es wissen.»
    «Wer? Wer soll was wissen?»
    «Alle anderen würden wissen, dass ich nicht dorthin gehöre.»
    «Und was glauben Sie, wie es mir geht?»
    Wir sahen uns an.
    «Clark, überall, wo ich jetzt hingehe, sehen mich die Leute an, als würde ich nicht dorthin gehören.»
    Wir saßen schweigend da, als die Musik einsetzte. Wills Vater telefonierte im Flur des Haupthauses, und gedämpftes Lachen drang in den Anbau, als käme es aus einer anderen Welt. Der Behinderteneingang ist dahinten , hatte die Frau an der Pferderennbahn gesagt. Als gehörte Will zu einer anderen Spezies.
    Ich starrte auf die CD-Hülle. «Ich gehe, wenn Sie mitkommen.»
    «Und allein gehen Sie nicht.»
    «Auf keinen Fall.»
    Das musste er erst einmal verdauen. «Meine Güte, Sie sind wirklich anstrengend», kam es dann von ihm.
    «Ja, das sagen Sie andauernd.»

    Dieses Mal hatte ich mir nichts ausgemalt. Ich erwartete nichts. Ich hoffte einfach, dass Will nach der Katastrophe auf der Rennbahn überhaupt noch einmal bereit war, den Anbau zu verlassen. Sein Freund, der Geiger, schickte uns die versprochenen Freikarten zusammen mit einem Info-Flyer über den Veranstaltungsort. Er war vierzig Minuten Fahrt entfernt. Ich machte meine Hausaufgaben, stellte fest, wo der Behindertenparkplatz war, und rief vorher an, um herauszufinden, wie wir mit Wills Rollstuhl zu den Plätzen kamen. Sie sagten, wir würden ganz vorne sitzen und ich bekäme einen Klappstuhl neben Will.
    «Das ist überhaupt der beste Platz», sagte die Frau am Kartenschalter fröhlich. «Man bekommt viel mehr mit, wenn man im Parkett direkt vor dem Orchester sitzt. Ich würde auch immer am liebsten dort sitzen.»
    Sie fragte sogar, ob uns jemand auf dem Parkplatz entgegenkommen sollte, um uns zu unseren Plätzen zu bringen. Weil ich fürchtete, Will könnte das zu auffällig

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