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Ein ganzes halbes Jahr

Ein ganzes halbes Jahr

Titel: Ein ganzes halbes Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
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finden, lehnte ich dankend ab.
    Als der Abend näher kam, wusste ich nicht, wer nervöser war: Will oder ich. Ich hatte unseren letzten missglückten Ausflug noch zu deutlich im Gedächtnis, und Mrs. Traynor war auch keine große Hilfe, weil sie mindestens vierzehnmal in den Anbau kam, um sich wieder und wieder zu erkundigen, wo und wann das Konzert stattfand und wie alles im Einzelnen organisiert würde.
    Wills Abendprogramm, womit sie seine Vorbereitung für das Zubettgehen meinte, nähme einige Zeit in Anspruch, sagte sie. Sie wolle sicher sein, dass sich jemand darum kümmere. Nathan hatte etwas anderes vor, und Mr. Traynor war an diesem Abend anscheinend ebenfalls außer Haus. «Es dauert mindestens anderthalb Stunden», sagte sie.
    «Und es ist unheimlich anstrengend», sagte Will.
    Mir wurde klar, dass er eine Ausrede suchte, um nicht hinzugehen. «Ich mache das», sagte ich. «Wenn mir Will sagt, was zu tun ist. Es stört mich nicht, länger zu bleiben.» Ich hatte es ausgesprochen, bevor ich verstand, worauf ich mich einließ.
    «Tja, da haben wir ja beide etwas, worauf wir uns so richtig freuen können», sagte Will mürrisch, nachdem seine Mutter gegangen war. «Sie können meinen Hintern bewundern, und ich werde von jemandem gewaschen, der beim Anblick von nackter Haut in Ohnmacht fällt.»
    «Ich falle nicht beim Anblick von nackter Haut in Ohnmacht.»
    «Clark, ich habe noch nie jemanden erlebt, der sich so unbehaglich fühlt, wenn er einen menschlichen Körper anfassen soll. Sie benehmen sich, als wäre ich radioaktiv.»
    «Dann soll es doch Ihre Mum machen», giftete ich.
    «Ja genau, dann bekommt der Konzertabend noch ein weiteres Highlight.»
    Und dann war da noch das Problem mit der Garderobe. Ich wusste nicht, was ich anziehen sollte.
    Auf der Pferderennbahn hatte ich schließlich auch das Falsche getragen. Woher sollte ich wissen, dass mir das nicht wieder passieren würde? Ich fragte Will, was ich anziehen sollte, und er sah mich an, als wäre ich verrückt geworden. «In dem Saal werden die Lichter ausgemacht», erklärte er. «Kein Mensch wird Sie beachten. Die Leute konzentrieren sich bei einem Konzert auf die Musik.»
    «Sie haben keine Ahnung von Frauen», sagte ich.
    Schließlich brachte ich mehrere Sachen mit zur Arbeit, die ich in Dads altem Anzug-Kleidersack in den Bus hievte. Ohne diese Anprobe wäre ich nicht zu dem Konzert gegangen.
    Nathan kam um halb sechs, und während er sich um Will kümmerte, ging ich ins Badezimmer, um mich umzuziehen. Zuerst zog ich mein ‹künstlerisches› Outfit an, ein grünes Kittelkleid, das mit riesigen bernsteingelben Perlen bestickt war. Ich stellte mir vor, dass Leute, die zu Konzerten gingen, unheimlich affig und extravagant gekleidet waren. Will und Nathan starrten mich nur an, als ich damit ins Wohnzimmer kam.
    «Nein», sagte Will rundheraus.
    «Das sieht aus wie etwas, das meine Mum anziehen würde», sagte Nathan.
    «Sie haben mir noch nie erzählt, dass Nana Mouskouri Ihre Mum ist», sagte Will.
    Ich hörte sie in sich hineinglucksen, als ich wieder ins Bad ging.
    Das zweite Outfit bestand aus einem strengen schwarzen Kleid mit asymmetrischem Schnitt, an das ich selbst einen weißen Kragen und weiße Ärmelaufschläge genäht hatte. Es war, fand ich, sowohl schick als auch pariserisch.
    «Sie sehen aus, als wären Sie die Eismamsell», sagte Will.
    «O Mann, aber Sie würden ein tolles Hausmädchen abgeben», sagte Nathan beifällig. «Das sollten Sie tagsüber tragen, echt.»
    «Als Nächstes sagen Sie ihr, sie soll die Fußleisten abstauben.»
    «Die sind tatsächlich ein bisschen staubig, jetzt, wo Sie es erwähnen.»
    «Sie», sagte ich, «haben morgen alle beide einen Schuss Meister Proper im Teebecher.»
    Outfit Nummer drei sortierte ich aus – es waren gelbe Schlaghosen –, weil ich mir Wills Rupert-der-Bär-Kommentar auch so vorstellen konnte. Stattdessen schlüpfte ich in meine vierte Montur, ein Secondhandkleid aus dunkelrotem Satin. Es war für eine genügsamere Generation genäht worden, und ich musste immer beten, dass ich den Reißverschluss über der Hüfte zubekam, aber es verlieh mir die Figur eines Fünfziger-Jahre-Starlets, und es war ein «Erfolgskleid», also eines von den Kleidungsstücken, in denen man sich einfach gut fühlt. Ich legte mir ein silberfarbenes Bolerojäckchen über die Schultern, band mir einen grauen Seidenschal um den Hals, um mein Dekolleté zu verdecken, trug passenden Lippenstift auf und ging

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