Ein ganzes halbes Jahr
vor ihm die Seiten umwendete. «Ich meine, es geht uns gut und so weiter. Aber, wissen Sie, es ist eben, wie es ist. Und dann hat Großvater im Fernsehen eine Sendung über selbstgemachte Geschenke gesehen, und ich dachte, das hier wäre etwas, das … eine echte Bedeutung hat, verstehen Sie?»
«Das hat es auch, Mum.» Tränen standen in meinen Augen. «Es gefällt mir unheimlich gut. Danke.»
«Großvater hat ein paar von den Bildern ausgesucht», sagte sie.
«Ein wundervolles Geschenk», sagte Will.
«Es gefällt mir unheimlich gut», sagte ich noch einmal.
Der erleichterte Blick, den sie daraufhin mit Dad wechselte, gehörte zum Traurigsten, was ich je gesehen habe.
«Jetzt meins.» Patrick schob die kleine Schachtel über den Tisch. Ich öffnete sie langsam und hatte kurz Panik, dass es ein Verlobungsring sein könnte. Dazu war ich noch nicht bereit. Ich konnte es ja noch kaum fassen, dass ich jetzt ein richtiges Schlafzimmer hatte. In der kleinen Schachtel lag auf dunkelblauem Samt ein feines Goldkettchen mit einem Sternenanhänger. Es war süß, zart und passte nicht im Entferntesten zu mir. Solchen Schmuck trug ich nicht und hatte ich noch nie getragen.
Ich hielt meinen Blick einen Moment lang auf das Geschenk gesenkt, während ich mir überlegte, was ich sagen sollte. «Das ist sehr hübsch», sagte ich dann, als sich Patrick über den Tisch beugte und mir die Kette um den Hals legte.
«Es freut mich, dass sie dir gefällt», sagte Patrick und küsste mich auf den Mund. Ich schwöre, dass er mich vor den Augen meiner Eltern noch nie so geküsst hatte.
Will beobachtete mich mit ungerührter Miene.
«Also, jetzt sollten wir Pudding essen», sagte Dad. «Bevor er noch zu warm wird.» Er lachte laut über seinen eigenen Witz. Der Champagner hatte ihn in blendende Laune versetzt.
«Ich habe auch etwas für Sie in der Tasche», sagte Will leise. «Die Tasche, die hinten am Stuhl hängt. Die Verpackung ist orange.»
Ich zog das Geschenk aus der Tasche.
Meine Mutter hielt mit dem Vorlegelöffel in der Hand inne. «Sie haben Lou ein Geschenk mitgebracht, Will? Das ist sehr aufmerksam von Ihnen. Ist das nicht aufmerksam von ihm, Bernard?»
«Ganz bestimmt.»
Das Einwickelpapier war mit chinesischen Kimonos in leuchtenden Farben bedruckt. Ich wusste sofort, dass ich es aufheben würde. Vielleicht würde ich mich davon sogar inspirieren lassen und mir ein neues Kleidungsstück nähen. Ich zog die Schleife auf und legte das Band zur Seite. Ich schlug das Papier auseinander, dann das Seidenpapier darunter, und auf einmal hatte ich ein merkwürdig vertrautes schwarz-gelbes Streifenmuster vor mir.
Ich hob das Gewebe hoch. Von meinen Händen hingen zwei Paar schwarz-gelb geringelter Strumpfhosen herunter. In Erwachsenengröße, blickdicht und aus so weicher Wolle, dass sie mir beinahe durch die Finger rutschten.
«Ich fasse es nicht», sagte ich. Ich hatte angefangen zu lachen – was für eine großartige Überraschung! «Wahnsinn. Woher haben Sie die?»
«Ich habe sie anfertigen lassen. Sie werden erfreut sein zu hören, dass ich der Frau meine Anweisungen mit Hilfe meiner nagelneuen Spracherkennungssoftware gegeben habe.»
«Strumpfhosen?», sagten Dad und Patrick im Chor.
«Die schönsten Strumpfhosen aller Zeiten.»
Meine Mutter musterte sie ebenfalls. «Weißt du, Louisa, ich bin ziemlich sicher, dass du genau so ein Paar hattest, als du noch ganz klein warst.»
Will und ich wechselten einen Blick.
Ich strahlte übers ganze Gesicht. «Ich ziehe sie gleich an», sagte ich.
«Mein Gott, sie wird aussehen wie die Biene Maja», sagte mein Vater kopfschüttelnd.
«Bernard, heute hat sie Geburtstag. Da kann sie aussehen, wie sie möchte.»
Ich lief hinaus und zog im Flur eine der Strumpfhosen an. Ich streckte die Zehen und bewunderte das herrlich alberne Muster. Ich glaube nicht, dass ich mich schon jemals so über ein Geschenk gefreut hatte.
Ich ging wieder ins Wohnzimmer. Will gab ein beifälliges Geräusch von sich. Großvater schlug die Hände auf den Tisch. Mum und Dad krümmten sich vor Lachen, und Patrick starrte mich einfach nur an.
«Ich kann Ihnen gar nicht beschreiben, wie toll ich diese Strumpfhosen finde», sagte ich. «Danke. Danke.» Ich streckte die Hand aus und berührte Will an der Schulter. «Wirklich. Vielen Dank.»
«Da ist auch noch eine Karte in einem Umschlag», sagte er. «Machen Sie ihn später auf.»
Meine Eltern veranstalteten einen Riesenwirbel, als sich Will
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