Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom
Dunkelheit und bot mir Ruhe – reine, mühelose Ruhe. Ganze Vormittage vergingen so, indem ich längere Zeit unter Wasser schwamm und meine Lungen den Atem möglichst lange halten ließ, um diese Ruhe und Dunkelheit möglichst lange zu genießen, bis ich nach oben musste, um Luft zu holen.« 40
Es gibt also auch wenige taktile Empfindungen, die Spaß machen. Doch berührungsempfindlich zu sein, wirkt sich nicht nur auf das geistige Befinden desjenigen aus, sondern auch auf zwischenmenschliche Beziehungen, da normale Menschen sich oft berühren.
Geschmacks- und Geruchsempfindlichkeit
Eltern berichten oft, dass ihr Kind Düfte bemerkt, die andere nicht riechen können. Außerdem kann es sehr wählerisch in Bezug auf das Essen sein. Mehr als 50 Prozent der Kinder mit Asperger-Syndrom haben eine olfaktorische und Geschmacksüberempfindlichkeit. 41
Jeden Tag gekochten Reis essen
Das Kind besteht oft darauf, nur sehr wenige Dinge zu essen. Es will dann beispielsweise jahrelang jeden Tag nur gekochten Reis oder Wurst mit Pommes frites essen. Für die Familie sind solche Überempfindlichkeiten und die Vermeidung von Nahrungsmitteln mit einer bestimmten Konsistenz oft ein Problem. Manche Mütter verzweifeln, wenn ihr Kind partout keine neuen, gesünderen Gerichte probieren will. Zum Glück sind aber viele dieser Kinder später weit weniger wählerisch und im Jugendalter ist diese Besonderheit häufig völlig verschwunden.
AUS DEM LEBEN
Ich mochte gern fades Essen
Sean Barron schrieb:
»Ich hatte ein großes Problem mit dem Essen. Ich aß gerne fade und einfache Sachen. Am liebsten aß ich Getreideprodukte – trocken, ohne Milch –, Brot, Pfannkuchen, Makkaroni und Spaghetti, Kartoffeln und Milch. Das waren nämlich die Dinge, die ich bereits als Kind gegessen hatte. Ich fand das angenehm und beruhigend. Ich wollte nichts Neues ausprobieren.
Ich war überempfindlich, was die Konsistenz des Essens anging und ich musste erst alles mit den Fingern berühren, um zu wissen, wie es sich anfühlt, bevor ich es in den Mund nehmen konnte. Ich hasste es, wenn eine Mahlzeit aus verschiedenen Dingen bestand, etwa, wenn Nudeln zusammen mit Gemüse serviert wurden oder Brot als Sandwich mit Aufstrich dazwischen. So etwas konnte ich nie, unter keinen Umständen in den Mund nehmen. Ich wusste, wenn ich das tun würde, würde mir furchtbar schlecht werden.« 42
Stephen Shore machte Ähnliches durch:
»Spargel aus Dosen war unerträglich, weil er sich so schleimig anfühlte, und ich habe ein ganzes Jahr lang keine Tomaten gegessen, nachdem mir eine Kirschtomate beim Essen im Mund geplatzt war. Dieses Gefühl war einfach zu viel für mich und ich wollte sichergehen, dass mir das nicht noch einmal passierte.
Karotten mit Kopfsalat und Sellerie mit Thunfischsalat ertrage ich bis heute nicht, weil der Kontrast zwischen den Karotten bzw. dem Sellerie auf der einen und dem Salat bzw. dem Thunfisch auf der anderen Seite zu groß ist. Ich mag aber Karotten oder Sellerie, wenn sie ohne andere Beilagen serviert werden. Vor allem als Kind aß ich die Sachen nacheinander, heute mache ich das allerdings weniger. Ich aß immer erst das Eine auf, bevor ich mit dem Nächsten anfing.« 43
Würgereflex
Beim Essen kann auch die taktile Überempfindlichkeit eine Rolle spielen. Menschen haben einen Würgereflex, der ausgelöst wird, wenn man zum Beispiel seinen Finger tief in den Rachen steckt. Bei Kindern mit Asperger-Syndrom kann dieser Reflex auch bereits durch bestimmte Nahrungsmittel im Mund ausgelöst werden.
Stechender Geruch
Manchmal rührt die Abneigung, bestimmtes Obst oder Gemüse zu essen, auch von einer Überempfindlichkeit gegen bestimmte Gerüche her. Während eine normale Person dieses Aroma genießt, kann es für ein Kind mit Asperger-Syndrom als zu stechend erscheinen. Eine olfaktorische Überempfindlichkeit kann dazu führen, dass demjenigen schwindlig wird, wenn er ein bestimmtes Parfum oder Deodorant riecht. Mir sagte einmal jemand, dass Parfums für ihn wie Insektenvertilgungsmittel riechen.
Positive Auswirkungen
Die Geruchsempfindlichkeit kann auch Vorteile haben. Ich kenne mehrere Erwachsene, die diese besondere Empfindlichkeit mit einem Spezialinteresse für Weine verbunden haben und zu anerkannten Weinexperten geworden sind. Liane Holliday Willey bewahrte einen Gast im Restaurant am Nebentisch vor einer Fischvergiftung, weil sie roch, dass sein Gericht verdorben war und ihn warnte. Außerdem sagte sie mir auch, dass sie
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