Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom
finanziellen Krankenkassenleistungen, obwohl er oder sie durchaus von einer Paar- oder Berufsberatung profitieren könnte. Wenn allerdings diese Person später eine Scheidung oder eine Zeit der Arbeitslosigkeit durchmacht, können die Symptome wieder stärker hervortreten und dann doch eine Diagnose erfordern.
Möglicherweise spielt bei der Diagnosestellung im Erwachsenenalter nicht so sehr der generelle Schweregrad eine Rolle, sondern die Lebensumstände, Erwartungen und die vorhandenen Bewältigungs- und Unterstützungsmechanismen.
Die endgültige Entscheidung, wo man die imaginäre Linie zieht, nämlich, ob die Person eine Diagnose Asperger-Syndrom bekommt oder nicht, ist eine subjektive Entscheidung des Spezialisten auf der Grundlage der Ergebnisse der Beurteilung bestimmter Fähigkeiten, der sozialen Interaktion und der Beschreibungen und Berichte von Eltern, Lehrern etc. Die qualitative Beeinträchtigung der sozialen Interaktion oder die sozialen Defizite sind entscheidend für die Diagnose, doch in Bezug auf die anderen Merkmale gibt es kein Gewichtungssystem, das dabei helfen könnte zu entscheiden, ob bei einem Grenzfall eine Diagnose gegeben werden soll oder nicht. Die letzte Entscheidung darüber, ob eine Diagnose bestätigt werden soll, muss auf der Grundlage der Erfahrung der Fachkraft, der aktuellen Diagnosekriterien und der Auswirkungen des ungewöhnlichen Fähigkeitsprofils auf die Lebensqualität der Person getroffen werden. Jerry Newport, der das Asperger-Syndrom hat, hat mir gegenüber gesagt, dass eine Diagnose dann erforderlich ist, wenn »die menschlichen Eigenschaften ein unpraktikables Extrem erreichen.«
ZUSAMMENFASSUNG
Wichtige Punkte der diagnostischen Beurteilung
Gegenwärtig gibt es acht diagnostische Screening-Fragebögen für Kinder und sechs für Erwachsene.
Mädchen und Frauen sowie Kinder und Erwachsene mit beträchtlichen intellektuellen Fähigkeiten können schwerer zu diagnostizieren sein, weil sie ihre Schwierigkeiten überspielen.
Die diagnostische Beurteilung sollte nicht nur die Bereiche abdecken, in denen Schwierigkeiten bestehen, sondern auch die Bereiche, die die positiven Aspekte des Asperger-Syndroms betreffen.
Kritikpunkte an den DSM-IV-Kriterien
Es bestehen entscheidende Probleme im Hinblick auf die Diagnosekriterien des DSM-IV:
Die Kriterien sagen aus, dass es keine klinisch bedeutsame Verzögerung beim Spracherwerb geben darf, doch beschreiben die Aufnahmekriterien faktisch ein Kind, das eine solche Sprachverzögerung aufweist.
Jeder Unterschied in den sprachlichen Fähigkeiten zwischen Kindern mit Autismus und normalem IQ und Kindern mit Asperger-Syndrom, der in der vorschulischen Phase zu beobachten ist, verschwindet in der Regel in der Phase des frühen Jugendalters.
Die Kriterien sagen aus, dass es keine klinisch bedeutsame Verzögerung bei den altersgemäßen Selbsthilfefähigkeiten geben darf, doch zeigen die klinische Erfahrung und die Forschung, dass Eltern häufig verbale Erinnerungen und Hilfestellungen in diesem Bereich geben müssen.
Die DSM-Kriterien enthalten keine Beschreibung der ungewöhnlichen Sprachmerkmale, wie sie ursprünglich von Hans Asperger beschrieben wurden und sie geben auch keine Hinweise auf Probleme der Wahrnehmung, stattdessen enthalten sie Merkmale, die selten oder nur vorübergehend sind.
Die Richtlinien sagen aus, dass, wenn die Kriterien für Autismus zutreffen, eine Diagnose Autismus Vorrang vor einer Diagnose Asperger-Syndrom haben soll. Zahlreiche Spezialisten weisen diesen hierarchischen Ansatz zurück.
Die DSM-Kriterien sind stets weiteren Veränderungen unterworfen.
Die Diagnosekriterien von Christopher Gillberg ähneln am ehesten den ursprünglichen Beschreibungen von Hans Asperger und sind für viele erfahrene Psychologen und Fachärzte die Kriterien der Wahl.
Gegenwärtig gibt es kein überzeugendes Argument und keine Daten, die unzweifelhaft bestätigen würden, dass es sich beim High-Functioning-Autismus und beim Asperger-Syndrom um zwei verschiedene und voneinander unterscheidbare Störungen handelt.
Wie häufig ist das Asperger-Syndrom?
Wenn man die Gillberg-Diagnosekriterien verwendet, beträgt die Häufigkeit des Asperger-Syndroms bei Kindern etwa 1:250.
Gegenwärtig werden nur rund 50 Prozent aller Kinder mit Asperger-Syndrom erkannt.
Eine Diagnose kann mit einiger Sicherheit bei Kindern ab fünf Jahren gestellt werden, nicht aber bei Kindern im vorschulischen Alter.
Erwachsene diagnostizieren
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