Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom
stark durch Ängste dominierten Tag stehen würde. Mit der Zeit kann dabei ein Muster sichtbar werden. Dieses Muster kann mit Menstruationszyklen zusammenhängen oder die Wellen treten zu bestimmten Zeiten im Jahr besonders häufig auf, und man kann bestimmen, inwieweit solche Muster mit bestimmten Umweltfaktoren zusammenhängen. Durch medizinische Untersuchungen lässt sich dann klären, ob bei der Person ein ungewöhnlicher Hormonhaushalt vorliegt oder ein Zyklus von Stimmungsschwankungen, der auf eine bipolare Störung hindeutet.
Angststörungen
Wir fühlen uns alle manchmal ein wenig ängstlich, doch viele Menschen mit Asperger-Syndrom fühlen diese Angst die meiste Zeit des Tages oder sind bei bestimmten Ereignissen besonders ängstlich. Marc Segar, der leider mittlerweile verstorben ist, schrieb in seinem Essay »The Battle of the Autistic Thinker«, dass es eine Sache gibt, in der autistische Menschen besonders gut sind, nämlich darin, sich Sorgen zu machen. Ich habe mit Erwachsenen mit Asperger-Syndrom gesprochen, die eine Behandlung einer chronischen Angststörung benötigten und viele berichten, dass sie sich nicht daran erinnern können, je längere Z eit in ihrem L eben ohne A ngst verbracht zu haben, nicht einmal in ihrer frühen Kindheit. Ich bin mir nicht sicher, ob das ein kennzeichnendes Merkmal für einige Menschen mit Asperger-Syndrom ist oder ob das auf zu großen Stress, bedingt durch die Anstrengung, sich ständig mit anderen Menschen und mit unvorhersehbaren und sensorischen Erlebnissen auseinandersetzen zu müssen, zurückzuführen ist.
Angst vor unangenehmen Erlebnissen
Das spezifische Ereignis, das Angstgefühle auslösen kann, kann die Aussicht auf eine Veränderung sein, etwa wenn in der Schule einmal der Klassenlehrer wechselt, es können unerwartete Veränderungen in der Routine, öffentliches Lob bzw. Kritik oder ein sensorisches Erlebnis sein. Wenn ein Mensch mit Asperger-Syndrom sensorisch überempfindlich ist, insbesondere in Bezug auf Geräusche, kann das dazu führen, dass sich diese Person ständig vor dem nächsten schmerzhaften sensorischen Erlebnis fürchtet. Meine Schwägerin hat Asperger-Syndrom und das Geräusch eines bellenden Hundes ist für sie eine besonders quälende Erfahrung. Die sensorische Überempfindlichkeit schafft ein ständiges Angstgefühl, aber zugleich schärft diese Angst unglücklicherweise auch wieder die Wahrnehmung, sodass die Verbindung aus Überempfindlichkeit und Angst tief greifende Auswirkungen auf die Lebensqualität dieser Menschen hat.
Nicht nur der Körper, sondern auch das Denken erstarrt
Ängstlich zu sein hat Auswirkungen auf das Denken der Person, die Strategien entwickelt, um das Maß der Angst zu reduzieren. Wenn wir entspannt sind, ist unser Körper beweglich; wenn wir ängstlich sind, ist er dagegen starr und die Muskeln werden verkrampft. Ähnliches gilt auch für das Denken und Problemlösen. Wenn ein Mensch mit Asperger-Syndrom ängstlich ist, wird auch dessen Denken starrer. Eines der Merkmale der Angst bei diesen Menschen ist, dass sie eine Art »Tunnelblick« entwickeln und nur noch in eine Richtung denken. Marc Segar sagte dazu: »Das Problem dabei, dass man sich Sorgen macht, ist, dass du dich nicht mehr auf das konzentrieren kannst, was du brauchst, um das Problem zu lösen.« 24
Alles kontrollieren oder sich zurückziehen
Eine Möglichkeit, Situationen zu vermeiden, die Ängste erzeugen, ist es, eine Art von Persönlichkeit zu entwickeln, die leider häufig als kontrollierend und oppositionell wahrgenommen wird. Das Kind kann Wutausbrüche, emotionale Erpressung, eine starre Verteidigungshaltung und das Nichteinhalten von Regeln benutzen, um sicherzustellen, dass es Umständen aus dem Weg geht, die für eine Steigerung der Angst sorgen würden. Eine andere Möglichkeit, solche Situationen zu vermeiden, ist der Rückzug in die Einsamkeit oder in die Spezialinteressen. Die größten Ängste werden oft mit sozialen Situationen verbunden und das Alleinsein sorgt dafür, dass die Person keine Angst haben muss, soziale Fehler zu begehen oder Demütigungen und Quälereien anderer ausgesetzt zu sein. Das Spezialinteresse kann das Denken derart gefangen nehmen und es kann so befriedigend sein, dass es alle Angstgefühle abblockt. Fachkräfte sollten sich auch bewusst sein, dass solche Menschen auch durch Alkohol oder Haschisch versuchen können, Ängste zu reduzieren.
Wenn die Angst überhand nimmt
Wenn das Maß an Angst extrem
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