Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom

Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom

Titel: Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tony Attwood
Vom Netzwerk:
betroffen ist.
Die Angst, falsch zu reagieren
    So, wie es Probleme beim Verstehen, beim Ausdrücken, bei der Steuerung von Gefühlen und beim Trösten geben kann, so kann es auch Probleme in Bezug darauf geben, wie sicher die Person ist, die richtige Reaktion zu finden. Ich hatte einmal gerade einen Jungen im Haus seiner Familie diagnostisch untersucht. Der Sohn ging dann ins Nachbarhaus, sodass ich mit den Eltern die Diagnose, mögliche Therapien und die Aussichten für das Kind besprechen kon nte. Als ich der Mutter gegenüber die Diagnose bestätigte, die sie selbst schon seit Jahren vermutet hatte, musste sie hemmungslos weinen, wobei sie aus Erleichterung, nicht aus Trauer weinte. Mir war intuitiv klar, dass sie etwas Trost brauchte. Da sie direkt neben ihrem Mann saß, er wartete ich, dass er sie trösten würde. Er aber ließ sich keine Gefühle anmerken und versuchte auch nicht, sie aufzumuntern. Etwas später, nachdem ich mit ihnen über die Familie und ihre Beziehung gesprochen hatte, ging der Mann aus dem Zimmer und die Frau fragte mich, ob auch ihr Mann Symptome des Asperger-Syndroms zeige. Tatsächlich gab es sowohl in seinen Beschreibungen seiner eigenen Kindheit als auch in seinem aktuellen Fähigkeitsprofil jede Menge Hinweise auf das Asperger-Syndrom. Als er dann wieder in das Zimmer zurückkehrte, fragte ich ihn, was er gedacht hatte, als seine Frau weinte. Er sagte: »Ich weiß, dass sie aufgewühlt war, aber ich wollte nichts Verkehrtes tun.«
»Warum regnet es in deinen Augen?«
    Zusammenfassend kann man sagen, dass die Person mit Asperger-Syndrom oft Probleme hat, Hinweise auf Gefühle zu verstehen. Ein Kind sagte einmal zu seiner Mutter: »Warum regnet es in deinen Augen?« Für so eine Person kann es schwierig sein zu erkennen, wie sie auf diese Gefühlsausdrücke reagieren soll. Ein Kind sah einmal seine kleine Schwester von der Schaukel fallen. Das Kind ging auf die Schwester zu und als auch die Mutter, in Tränen aufgelöst, erschien, fragte das Kind die Mutter: »Was für ein Gesicht soll ich jetzt machen?« Diejenigen, die in der Lage sind, die entsprechenden Signale zu verstehen, sind sich vielleicht unsicher, wie sie reagieren sollen, um keinen Fehler zu begehen und sie verfügen nur über ein begrenztes Repertoire an Trostmechanismen.
Bewertungsskalen für Gefühle
    Es gibt eine Reihe von Bewertungsskalen der eigenen Gefühle, die von Fachkräften verwendet werden, um das Maß an Depression, Angst oder Wut zu messen. Diese Skalen wurden für normale Kinder entwickelt, können aber auch für Kinder und Erwachsene mit Asperger-Syndrom verwendet werden. Für diese Fälle gibt es jedoch auch bestimmte Modifikationen. So ist derjenige vielleicht eher in der Lage, seine emotionalen Reaktionen zu quantifizieren, indem die Abstufungen im Erleben und im Ausdruck der Gefühle durch eine numerische Darstellung wiedergegeben werden statt durch genaues und subtiles Vokabular. Ich verwende daher eher Gefühls-»Thermometer«, Säulendiagramme oder »Lautstärke«-Skalen. Mit diesen Analogverfahren lassen sich zum einen allgemeine Gefühlsbeurteilungen durchführen, zum anderen kann man sie auch im Rahmen der Behandlung einer affektiven Störung als Mittel verwenden, der Person die eigenen Gefühle vertrauter zu machen.
Verhaltensindikatoren für Stimmungswechsel
    Die Beurteilung des Verständnisses und des Ausdrucks von Gefühlen sollte auch eine Liste mit Verhaltensindikatoren für Stimmungswechsel beinhalten. Zu diesen Indikatoren können Veränderungen der für das Asperger-Syndrom typischen Merkmale gehören:
Zum Beispiel eine Zunahme der Zeit, die derjenige alleine und mit seinen Spezialinteressen verbringt. Starrheit oder Inkohärenz im Denken aufgrund von Angst oder Depression.
Verhaltensweisen, mit denen derjenige Kontrolle über sein eigenes Alltagsleben und über andere zu erlangen versucht.
Dazu kommen herkömmliche Indikatoren wie Panikattacken, Bemerkungen, die auf ein geringes Selbstwertgefühl hindeuten und Wutausbrüche.
Stimmungstagebuch
    Die Person und ihre Familie können auch ein Stimmungstagebuch führen, um zu klären, ob die Stimmungsschwankungen zyklisch auftreten oder ob es für sie bestimmte Anlässe gibt. Wenn das Kind etwa eine Angststörung hat, können die Eltern das Maß der Angst im Verlauf des Tages auf einer Skala von 0 bis 20 nachvollziehen. Ein Wert nahe bei 0 würde einen sehr entspannten Tag anzeigen, 10 einen normalen Tag, während ein Wert nahe 20 für einen

Weitere Kostenlose Bücher