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Ein Garten im Winter

Ein Garten im Winter

Titel: Ein Garten im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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sollte das gut sein?
    Tränen nützen in Leningrad gar nichts mehr.

Dreiundzwanzig
    Das darauffolgende Schweigen war so schwer und bleiern, dass Meredith sich unwillkürlich duckte.
    Ich kann nichts sagen.
    Sie sah ihre Mutter an, die immer noch im Bett saß, die Arme um die Knie verschränkt und die Decke bis zum Kinn gezogen, als könnte ein bisschen Wolle sie schützen.
    »Alles in Ordnung, Mom?«, fragte Nina und stand auf.
    »Wie sollte es?«
    Meredith stand ebenfalls auf. Obwohl sie kein Wort und nicht mal einen Blick wechselten, hatte sie dieses eine Mal das Gefühl, sie seien sich vollkommen einig. Sie nahm ihre Schwester bei der Hand und trat mit ihr ans Bett.
    »Deine Mutter und deine Schwester wussten, wie sehr du dich bemüht und wie sehr du sie geliebt hast«, sagte Meredith.
    »Lass das«, entgegnete die Mutter.
    Meredith runzelte die Stirn. »Was denn?«
    »Mich zu rechtfertigen.«
    »Es war nicht als Rechtfertigung gemeint, Mom. Es war nur eine Beobachtung. Sie müssen gewusst haben, wie sehr du sie geliebt hast«, wiederholte sie so sanft wie möglich.
    Nina nickte.
    »Aber ihr habt es nicht gewusst«, erwiderte die Mutter und blickte sie abwechselnd an.
    Meredith hätte lügen und ihrer alten Mutter erzählen können, dass sie sich doch geliebt gefühlt hätte. Vor einer Woche noch hätte sie das wahrscheinlich um des lieben Friedens willen behauptet. Aber jetzt erklärte sie: »Nein, ich habe mich nie von dir geliebt gefühlt.«
    Sie wartete auf eine Erwiderung ihrer Mutter, stellte sich vor, dass sie irgendetwas sagen würde, was alles – was sie  – verändern würde. Nur wusste sie nicht, was das sein sollte.
    Am Ende sagte Nina etwas.
    »Ich hab mich die ganzen Jahre gefragt, was mit uns nicht stimmt. Wir beide konnten einfach nicht begreifen, dass eine Frau ihren Mann liebt, aber ihre eigenen Kinder hasst.«
    Bei dem letzten Wort zuckte ihre Mutter zusammen und hob abwehrend die Hand. »Geht jetzt.«
    »Es lag nicht an uns, nicht wahr, Mom?«, fragte Nina. »Du hast deine Kinder nicht gehasst. Du hast dich selbst gehasst.«
    Da fiel die Mutter in sich zusammen. Anders konnte man es nicht nennen. »Ich hab versucht, euch nicht zu lieben …«, flüsterte sie. »Geht jetzt. Lasst mich allein, bevor ihr etwas sagt, was ihr später bereut.«
    »Was sollte das sein?«, fragte Nina, obwohl sie alle es wussten.
    »Geht jetzt einfach. Bitte. Sagt nichts mehr, bis ihr die ganze Geschichte gehört habt.«
    Als Meredith hörte, wie ihre Stimme bei dem Wort Bitte zitterte, wusste sie, dass sie kurz davor stand zusammenzubrechen. »Ist gut. Wir gehen.« Sie beugte sich zu ihr, drückte ihr einen Kuss auf die weiche, faltige Wange und roch ihr Rosenshampoo. Auch das war ihr neu: Ihre Mutter benutzte Shampoo mit Rosenduft. Zum ersten Mal in ihrem Leben zog sie ihre Mutter in die Arme und flüsterte: »Gute Nacht, Mom.«
    Auf dem Weg zur Tür rechnete sie damit, zurückgerufen zu werden, ihre Mutter sagen zu hören: »Wartet.« Aber es gab kein Geständnis in letzter Minute.
    Meredith und Nina zogen sich in ihre Kabine zurück. In nachdenklichem Schweigen gingen sie ins Bad, putzten sich die Zähne, zogen sich ihren Schlafanzug an und stiegen ins Bett.
    Es hing alles zusammen, das wusste Meredith jetzt. Ihr Leben und das ihrer Mutter. Sie waren miteinander verbunden, und zwar nicht nur durch die Gene, sondern auch durch ihre Gefühle – vielleicht sogar durch ihren Charakter. Sie war sich immer sicherer, dass der Verlust, der ihre Mutter gebrochen, der Vera in Anja verwandelt hatte, auch Meredith gebrochen hätte. Und sie hatte Angst, noch mehr davon zu hören.
    »Was ist wohl aus Leo und Anja geworden?«, fragte Nina.
    Meredith wäre es lieber gewesen, wenn Nina nicht gefragt, sondern irgendetwas behauptet hätte, das sie hätte ignorieren können. Vor dieser Reise, bevor sie so viel über sie drei erfahren hatte, wäre sie wütend geworden oder hätte das Thema gewechselt. Nur um ihren Schmerz zu verbergen. Jetzt wusste sie es besser. Man trug den Schmerz sein ganzes Leben mit sich. Es gab kein Entkommen. »Das mag ich mir gar nicht vorstellen.«
    »Was passiert mit Mom, wenn sie die Geschichte zu Ende erzählt hat?«, fragte Nina leise.
    Auch dies war etwas, wovor Meredith sich fürchtete. »Ich weiß es nicht.«
    Sitka war ihrem Reiseführer zufolge eine der bezauberndsten und ganz sicher ältesten Städte Alaskas. Zweihundert Jahre zuvor, als San Francisco noch ein Punkt auf der Landkarte

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