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Ein Garten im Winter

Ein Garten im Winter

Titel: Ein Garten im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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ist sie mir nicht mehr wichtig. Du bist mir wichtig, Mom. Ich möchte nur, dass wir nicht aufhören, miteinander zu reden.«
    »Warum?«, fragte die Mutter leise. »Wieso bin ich euch wichtig?«
    »Wir haben auch versucht, dich nicht zu lieben«, sagte Nina.
    »Ich hab es euch bestimmt leichtgemacht«, erwiderte ihre Mom.
    »Nein«, entgegnete Meredith. »Leicht war es nie.«
    Die Mutter griff nach dem Wodka und schenkte ihnen nach. Sie hob ihr Glas und sah ihre Töchter an. »Worauf sollen wir trinken?«
    »Vielleicht auf die Familie?«, warf Stacey ein, die gerade rechtzeitig kam, um sich auch ein Glas einzuschenken. »Auf die Familienmitglieder, die hier sind, auf die, die gegangen sind, und auf die, die verloren sind.« Sie stieß ihr Glas gegen das der Mutter.
    »Ist das ein alter russischer Trinkspruch?«, fragte Nina, nachdem sie ihren Wodka getrunken hatte.
    »Ich jedenfalls hab ihn noch nie gehört«, antwortete die Mutter.
    »In meinem Haus stoßen wir immer so an«, meinte Stacey. »Ist doch ein guter Toast, finden Sie nicht?«
    »Da« , erwiderte die Mutter und lächelte tatsächlich. »Ein sehr guter.«
    Auf dem Rückweg in die Stadt schien ihre Mom irgendwie aufrechter zu gehen. Sie lächelte auch öfter und zeigte auf Andenken in den Auslagen.
    Meredith konnte ihren Blick nicht von ihr lösen. Es war, als würde man einen Schmetterling bei der Entpuppung beobachten. Und als Meredith ihre Mutter in diesem neuen Licht sah, fühlte sie sich selbst auch anders: Wie ihre Mom lächelte sie öfter und lachte sogar hier und da. Nicht ein einziges Mal dachte sie an ihre Arbeit, an ihre Töchter oder daran, dass sie das Schiff verpassen könnten. Sie war glücklich darüber, einfach nur hier auf einer Reise mit ihrer Mutter und ihrer Schwester zu sein. Dieses eine Mal fühlte sie sich mit ihnen verbunden, so als wären sie die Stränge eines Seils; wohin die eine ging, gingen auch die anderen.
    »Seht mal«, sagte die Mutter, als sie das Ende einer Straße erreicht hatten.
    Zuerst sah Meredith nur die schlichten blauen Läden und dahinter den fernen Gipfel des Mount Edgecumbe. »Was denn?«
    »Dort.«
    Meredith folgte dem Fingerzeig ihrer Mutter.
    In dem Park auf der gegenüberliegenden Seite stand unter einer mit leuchtend rosafarbenen Blumen umwundenen Straßenlaterne eine Familie, die für Urlaubsfotos posierte. Die Frau hatte lange braune Haare und trug frisch gebügelte Jeans und einen Rollkragenpullover. Der gutaussehende Mann mit dem blonden Schopf schien kaum sein Lächeln zurückhalten zu können, und die zwei kleinen Mädchen mit den Zöpfen stießen sich immer wieder kichernd aus dem Bild.
    »Genau so wart ihr beide, Jeff und du«, sagte die Mutter leise.
    Meredith verspürte einen Anflug von Traurigkeit. Sie war anders als sonst: keine Enttäuschung, weil die Kinder nicht anriefen, oder Angst, dass Jeff sie nicht mehr liebte, oder auch nur Furcht, von sich selbst zu viel aufgegeben zu haben. Dieses neue Gefühl war die Erkenntnis, dass sie nicht mehr jung war. Die Zeiten, in denen sie mit ihren kleinen Töchtern herumgealbert hatte, waren vorbei. Ihre Kinder waren jetzt selbständig, und Meredith musste das akzeptieren. Sie waren immer noch eine Familie, aber wenn sie eines in den vergangenen Wochen gelernt hatte, dann, dass eine Familie nichts Statisches war. Ständig änderte sich etwas. Die Veränderungen waren manchmal so unmerklich wie die Verschiebung der Kontinente und manchmal explosiv und endgültig. Der Trick war, im Gleichgewicht zu bleiben. Man konnte die Richtung, in die eine Familie driftete, genauso wenig kontrollieren, wie man das Auseinanderdriften der Kontinente aufhalten konnte. Man konnte nur versuchen, nicht den Kontakt zu verlieren.
    Als sie so dastand und die Fremden anstarrte, sah sie vor ihrem inneren Auge Momentaufnahmen ihrer Ehe. Sie und Jeff beim Schulabschlussball, als sie eng umschlungen unter der Discokugel zu »Stairway to Heaven« tanzten … sie in den Wehen, als sie ihn anschrie, er solle sich mit seinen gottverdammten Eiswürfeln verpissen … als er ihr die ersten Seiten seines ersten Romans gab und sie um ihr Urteil bat … und als er bei Dads Tod neben ihr stand, fragte: »Wer kümmert sich um dich, Mere?« und versuchte, sie zu halten.
    »Ich war ja so dumm«, sagte sie zu sich und vergaß kurzzeitig, dass sie mitten auf einem Bürgersteig voller Touristen stand, die sie hören konnten.
    »Das wurde auch langsam Zeit«, bemerkte Nina lächelnd. »Ich bin es

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