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Ein Garten im Winter

Ein Garten im Winter

Titel: Ein Garten im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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fünfzehn.«
    »Fast sechzehn.«
    Ihre Mama hält inne und dreht sich um.
    Es ist ein Sommertag, den sie damit verbringen, Lebensmittel für den Winter haltbar zu machen. Die Tische biegen sich unter dem Gewicht der Beeren, die eingekocht werden; den Zwiebeln, Pilzen, Kartoffeln und Knoblauch, die im Keller eingelagert werden; den Bohnen, die in Salzlake kommen. Mama hat versprochen, ihnen später zu zeigen, wie man Blinis mit einer süßen Kirschfüllung macht.
    »Du bist fast sechzehn«, meint Mama in einem Ton, als ginge ihr das erst jetzt auf. »Ich war zwei Jahre älter, als ich Pjotr kennengelernt habe.«
    Vera stellt den glitschigen Topf mit dem Gänseschmalz ab. »Was hast du gefühlt, als du ihn das erste Mal gesehen hast?«
    Mama lächelt. »Die Geschichte habe ich doch schon tausendmal erzählt.«
    »Du hast immer gesagt, es habe dir den Boden unter den Füßen weggerissen. Aber wie?«
    Mama wischt sich wieder über die Stirn und streckt die Hand nach dem Holzstuhl vor ihr aus. Sie schiebt ihn zurecht und setzt sich.
    Vera ist so verblüfft, dass ihr fast ein Ausruf entfährt. Ihre Mutter hat noch nie ihre Arbeit unterbrochen, um zu reden. Vera und Olga sind mit Geschichten von Pflicht und Verantwortung aufgewachsen. Da die Bauern loyal zu ihrem gefangengenommenen König stehen, sind sie auf ihren Platz verwiesen worden. Sie müssen sich ducken und arbeiten, denn der Schatten des Schwarzen Ritters fällt so schnell wie ein Schwert. Besser, man zieht keine Aufmerksamkeit auf sich.
    Aber jetzt setzt sich ihre Mutter. »Damals war er Lehrer, und er sah so gut aus, dass mir der Atem stockte. Als ich es eurer Baba erzählte, schüttelte sie besorgt den Kopf und sagte: ›Soja, sei vorsichtig. Du wirst deinen Atem noch brauchen.‹«
    »War es Liebe auf den ersten Blick«, will Vera wissen.
    »Als er mich ansah, wusste ich, dass ich ihm überallhin folgen würde. Ich sagte mal, das hätte am Met gelegen, den wir getrunken haben. Aber das stimmt nicht. Es lag an … Pjotr. Meinem Petja. Sein Wissensdrang und Lebenshunger riss mich mit und bevor ich mich’s versah, waren wir verheiratet. Meine Eltern waren entsetzt, denn das Königreich war in Aufruhr. Damals war der König im Exil, und wir alle hatten Angst. Meine Eltern waren besorgt wegen Pjotrs Ehrgeiz. Er war nur ein armer Lehrer vom Land, träumte aber davon, ein Dichter zu sein.«
    Vera seufzt, so romantisch ist das. Jetzt ist sie sich sicher, dass sie sich nachts hinausschleichen muss, um den Prinzen zu sehen. Sie ist sich sogar sicher, dass ihre Mutter sie verstehen wird, sollte sie es herausfinden.
    »So«, sagt ihre Mutter und klingt wieder müde. »Gehen wir zurück an die Arbeit, und du, Veronika, passt mit dem Gänseschmalz auf. Es ist kostbar.«
    Im Laufe der nächsten Stunden kann sich Vera immer weniger auf ihre Arbeit konzentrieren. Während sie Bohnen und Gurken einlegt, denkt sie sich eine ganze Liebesgeschichte für sich und Sascha aus. Sie werden am Ufer des magischen Flusses spazieren gehen, wo man manchmal die Zukunft gespiegelt sehen kann, und sie werden unter einer der Straßenlaternen stehen bleiben, wie sie es oft bei anderen Liebespaaren gesehen hat. Dass er ein Prinz und sie nur eine arme Lehrerstochter ist, wird ganz unwichtig sein.
    »Vera.«
    Jemand ruft ihren Namen, und zwar ziemlich ungeduldig. Daran merkt sie, dass sie nicht zum ersten Mal angesprochen wurde. Als sie sich umsieht, steht ihr Vater in der Küche und blickt sie stirnrunzelnd an.
    »Papa«, sagt sie. Er wirkt müde und leicht beunruhigt. Seine normalerweise ordentlich gekämmten schwarzen Haare stehen in alle Richtungen ab, als wäre er sich immer wieder mit der Hand hindurchgefahren. Sein Lederwams ist falsch zugeknöpft, und er zuckt nervös mit den tintenbeschmierten Fingern.
    »Wo ist Soja?«, fragt er und sieht sich um.
    »Sie und Olga sind noch Essig kaufen gegangen.«
    »Ganz allein?« Ihr Vater nickt abwesend und beißt sich auf die Unterlippe.
    »Stimmt was nicht, Papa?«
    »Nein. Es ist alles gut.« Er nimmt sie in die Arme und drückt sie so fest, dass sie kaum noch Luft bekommt.
    In den nachfolgenden Jahren wird Vera diese Umarmung viele, viele Male im Geiste durchspielen. Sie wird die im Kerzenlicht blinkenden Gläser sehen, das staubige, sonnengebleichte Lederwams ihres Vaters riechen und das Kratzen seines Barts auf ihrer Wange spüren. Sie wird sich vorstellen, wie sie sagt: Ich hab dich lieb, Papa.
    Aber in Wahrheit hat sie nur Romantik und

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