Ein Gebet für die Verdammten
Der Schaden will wiedergutgemacht sein.« Er wandte sich Fidelma zu. »Bist du der Meinung, daß Bruder Drón wegen eines der begangenen Morde zur Verantwortung zu ziehen ist?«
»Er ist ein wichtiger Zeuge«, erwiderte sie. »In irgendeiner Weise ist sein Fall mit Schwester Marga verknüpft, aber wie und warum, dahinter bin ich noch nicht gekommen. Auffällig ist, daß er sie nicht aus den Augen läßt und ständig unter Kontrolle haben will. Gerade deswegen wollte ich ihn befragen und hatte mir davon einige Aufklärung versprochen. Ich fürchte ernstlich, Margas Leben ist in Gefahr.«
»Soweit mir zu Ohren gekommen ist, hat man Fergus Fanat, den Krieger von Ulaidh, vergangene Nacht überfallen, und kurz darauf soll Schwester Marga geflohen sein.«
»Auch das bedarf der Klärung«, bestätigte Fidelma. »Marga hat die Flucht ergriffen, und Drón wollte ihr hinterher. Man hat ihn allerdings auf eine falsche Fährte gelockt.« Knapp umriß sie, was sich am Patrick-Brunnen zugetragen hatte.
Nicht ohne Verwunderung nahm Brehon Barrán die Geschichte zur Kenntnis. »Klingt ganz schön verworren.«
»Durch Ninnids selbstherrliches Dazwischengehen ist mirDrón entwischt. Ich könnte mir vorstellen, daß er jetzt alles dransetzt, Schwester Marga aufzuspüren.«
»Aufspüren, das ist das Stichwort«, griff Colgú ein. »Wer ist unser bester Fährtenleser, Caol?«
»Rónán«, antwortete der ohne Zögern.
»Ja, natürlich. Hol ihn her. Das einzige, was wir tun können, ist zu versuchen, Drón auf die Spur zu kommen und so herauszufinden, in welche Richtung er geritten ist.«
Im Hinausgehen wurde Caol von einem seiner Krieger aufgehalten, der ihm etwas zuflüsterte. Er drehte sich um und verkündete nicht ohne Häme: »Brehon Ninnid ist soeben auf die Burg zurückgekehrt. Meine Leute haben ihn hergebracht. Er pocht auf seine Unschuld, er hätte nichts Unrechtes getan.«
»Vielleicht bekommen wir jetzt Antwort auf die eine oder andere Frage«, äußerte sich Colgú befriedigt und blickte zu Barrán hinüber. »Als Oberster Richter der fünf Königreiche mußt du die Sache selbst in die Hand nehmen.«
»Natürlich führe ich die Befragung«, erwiderte Brehon Barrán mit strenger Miene, »die Handlungsweise von Brehon Ninnid entbehrt jeder Gesetzesgrundlage.«
Fidelma nahm neben ihrem Bruder Platz, während sich Brehon Barrán mit auf dem Rücken verschränkten Händen vor den Kamin stellte. Colgú nickte Caol zu, der daraufhin jemandem im Vorzimmer ein Zeichen gab.
Mit rotem Gesicht betrat Brehon Ninnid empört den Raum, hinter ihm Enda, die Hand griffbereit am Schwert.
»Du kannst gehen und Rónán holen«, wies Colgú Caol an. »Wartet dann nebenan, bis wir hier fertig sind.«
Die Tür schloß sich. Brehon Ninnid trat einen Schritt vor und suchte mit feindseligen Blicken die Situation zu erfassen. Daß auch Brehon Barrán anwesend sein würde, der ihn finster musterte, hatte er nicht erwartet.
»Ich bin froh, daß du hier bist«, sagte er und hatte schnell zu seiner gewohnten Selbstsicherheit zurückgefunden. »Man hat mich geradezu unverschämt behandelt. Der Krieger hier hat mich auf meinem Rückweg von der Stadt fast vom Pferd gezerrt und mich unter Androhung von Gewalt hergeführt. Obwohl ich ein Brehon bin, wagte er es, mit mir so umzugehen. Das ist unerhört!«
Brehon Barrán wartete, bis er mit seinem Wutausbruch am Ende war. »Hast du dich vielleicht nach dem Grund gefragt, weshalb wir dich hier sehen wollten?« erkundigte er sich dann ruhig.
»Es gibt keinen Grund, der eine derartige Behandlung rechtfertigt.«
»Und die Tatsache, daß du deine Stellung mißbraucht hast, um einem Häftling zur Flucht zu verhelfen, zählt nicht?« Noch klang Barráns Stimme sachlich.
»Einem Häftling und zur Flucht verhelfen?« meinte Brehon Ninnid verärgert. Doch dann wurden sein Tonfall und seine Wortwahl milder. »Lächerlich! Du spielst doch wohl auf Bruder Drón an? Ein Krieger hat ihn einfach ins Gefängnis gesperrt, das war in keiner Weise gerechtfertigt. Ich habe lediglich dafür gesorgt, daß man ihn wieder freigelassen hat.«
Brehon Barrán verzog keine Miene, doch seine Stimme wurde härter. »Du befindest dich auf der Burg von Colgú, dem König von Muman. Eine Entlassung von Gefangenen aus dem Duma na nGiall kann nur in seinem Namen erfolgen. Hast du gegenüber dem Gefängniswärter behauptet, daß die Haftentlassung auf Colgús Geheiß geschieht?«
Ninnid runzelte die Stirn. »Kann sein, ich habe so
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