Ein Gebet für die Verdammten
Speisevorschriften und dergleichen – selbst gegen die rigorose Einhaltung des Sabbats? Versenke dich in die Heilige Schrift und hüte dich, mir gegenüber die Worte Christi über die Einhaltung der Gesetze anzuführen. Wenn uns die Schrift etwas lehrt, dann vor allem, daß nicht die äußerliche Erfüllung des Gesetzes wesentlich ist, nicht äußerliche Reinheit und äußerlicher Gehorsam. Seinem Wesen nach muß dem Gesetz Genüge getan werden. Christus trat für die innere Reinheit ein, für das sittliche Prinzip der Wahrheit, nicht aber für die Befolgung von Regeln um der Regeln willen. Du berufst dich auf das sittliche Gebot, die Missetäterin in Cill Ria zu strafen, dennoch hoffe ich, daß dich der wahre Glaube auch das Gebot der Barmherzigkeit lehrt.«
Bruder Drón schluckte bei ihrer entrüsteten Zurechtweisung. Erstmals sah er Ärger und Leidenschaft in ihren sonst so beherrschten Zügen aufflammen und sagte kein einziges Wort.
An der Tür blieb Fidelma stehen und blickte zu ihm zurück.»Spricht nicht Paulus von dem Gesetz, das dem Menschen ins Herz geschrieben ist? Lieber ist mir ein Heide mit einem moralischen Gewissen als ein Mann, der dem Glauben in allen Äußerlichkeiten huldigt, doch die ihm innewohnende moralische Aufrichtigkeit verleugnet. Je eher deine Art des Glaubens dahinschwindet, Drón, um so besser wird es um die Welt bestellt sein.«
Schweigend begaben sich Fidelma und Eadulf zu der Kammer, in der vorübergehend Schwester Marga eingeschlossen war.
Draußen im Gang hielt Enda Wache. Er trat zur Seite und klopfte an. Muirgen öffnete. »Schwester Marga hat gebadet und ist angekleidet«, meldete sie ihrer Herrin.
»Wunderbar. Hast du darauf geachtet, daß sie alles hatte, was sie für ihr Bad brauchte?«
»Ich habe alles so gemacht, wie du es mir aufgetragen hast.«
»Dann will ich dich nicht länger hier festhalten. Du kannst wieder zu Klein-Alchú gehen.«
Muirgen eilte davon, und Fidelma und Eadulf traten ein. Schwester Marga erhob sich unschlüssig.
»Nach Cill Ria gehe ich nicht zurück, selbst wenn man mich zwingen will«, erklärte sie aufgebracht.
Fidelma ging lächelnd auf sie zu. »Niemand will dich zwingen, dorthin zurückzugehen. Setz dich.« Dann schnupperte sie. »Ein angenehmer Duft.«
»Ich habe eben gebadet. Deine Kammerfrau war sehr hilfreich.«
»Schön. Und du konntest dir parfümierte
sleic
oder Duftstoffe holen lassen, die unser Apotheker bereithält?«
»Ehrlich gesagt, ich benutze lieber meine eigenen, und die führe ich in meinem
cíorbolg
stets bei mir.«
Fidelma schnupperte noch einmal. »Du hast gut gewählt«, sagte sie anerkennend. »Eadulf hat mir berichtet, die Nachricht vom Überfall auf Fergus Fanat hat dich sehr betroffen gemacht.«
Margas Miene versteinerte. »Ich habe ihn nicht überfallen.«
»Du mußt allerdings zugeben, es war ein unseliges Aufeinandertreffen der Ereignisse, daß du aus Cashel gerade zu dem Zeitpunkt geflohen bist, kurz nachdem er niedergeschlagen wurde.«
»Das war reiner Zufall. Ich mußte einfach weg. Ich habe nicht mal gewußt, daß Fergus Fanat überfallen wurde.«
»Das Leben ist voller Zufälle«, bemerkte Fidelma und seufzte. »Fest steht, immer wenn verschiedene Ereignisse sich ineinander verzahnen, scheint das schicksalsbedingt zu sein. Wir halten den Zufall für etwas Ungewöhnliches, dabei ist auch er ein ganz normaler, sachlich erklärbarer Vorgang.«
Verständnislos starrte Schwester Marga sie an. »Da ihr mich mit Gewalt hierhergebracht habt, verlange ich, vor Bruder Drón geschützt zu werden. Gewährt mir eine Freistatt. In die Abtei Cill Ria gehe ich auf keinen Fall zurück.«
»Fergus Fanat hatte dir seinen Schutz angeboten, aber den hast du nicht annehmen wollen«, erinnerte Fidelma sie.
Dem Mädchen stieg die Röte ins Gesicht. »Ich habe Fergus vertraut …«, sagte sie mit tränenerstickter Stimme. »Aber er nicht mir. Nun kann ich ihm nicht mehr vertrauen. Er hat mir erklärt, er hätte mich in jener Nacht aus Ultáns Zimmer kommen sehen, und ich habe ihm gesagt, Ultán hätte mich dorthin befohlen und wozu. Ich habe ihm auch beteuert, ich sei unschuldig an seinem Tod, er hätte gelebt, als ich den Raum verließ. Es tut mir leid, daß man Fergus niedergeschlagen hat, und ich bin froh, daß er das Bewußtsein wiedererlangt hat. Muirgen hat es mir erzählt. Ich wünsche ihmüberhaupt nichtsBöses. Ich habe geglaubt, daß ich ihn liebe, aber Liebe bedeutet auch, den anderen gut zu kennen, zu
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