Der Gärtner von Otschakow
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Mama, da hat die Nachbarin dir wieder so einen verdächtigen Kerl gebracht!«, rief Igor durch die offene Haustür hinein.
»Was schreist du so?!« Elena Andrejewna kam ihm im Flur entgegen. »Er hört es doch! Und ist gekränkt!«
Elena Andrejewna schüttelte den Kopf und betrachtete kritisch ihren dreißigjährigen Sohn, der in seinem Leben noch immer nicht gelernt hatte, leise zu reden und zu flüstern, wenn es nötig war.
Ihre Nachbarin, Olga, sorgte sich tatsächlich ein wenig zu viel um Elena Andrejewnas private Angelegenheiten. Kaum war Elena Andrejewna mit dem Sohn aus Kiew nach Irpen gezogen, hatte sie die Fürsorge Olgas gespürt, die auch fünfundfünfzig war und auch ohne Mann lebte. Elena Andrejewna hatte sich von ihrem schon vor der Pensionierung getrennt – allzu sehr hatte er sie allmählich an ein Möbelstück erinnert: reglos, schweigsam, ewig unzufrieden und untätig im Haus. Olga selbst hatte überhaupt nie geheiratet. Aber davon sprach sie leichthin, ohne Bedauern. »Einen Mann an der Leine brauche ich nicht!«, sagte sie einmal. »Du bindest ihn fest, und er wird wie ein Hund! Dann bellt und beißt er!«
Elena Andrejewna trat ans Gartentor und sah neben der Nachbarin einen sehnigen, glattrasierten, vielleicht [6] sechzigjährigen Mann mit ausdrucksvollem Gesicht, energischem Kinn und grauem Igelschnitt, einen ausgebleichten Leinenrucksack auf dem Rücken.
»Lenotschka, hier, das ist Stepan! Er hat mir den Kuhstall repariert!«
Elena Andrejewna betrachtete diesen Stepan mit freundlicher Ironie. Kuhstall hatte sie ja keinen, und zu reparieren gab es bis jetzt auch nichts. Alles war heil! Und einfach so einen unbekannten Mann ins Haus zu lassen war nicht ihre Gewohnheit.
Obwohl Stepan am Blick der Frau sah, wie wenig ernst sie ihn nahm, neigte er freundlich den Kopf.
»Vielleicht brauchen Sie einen Gärtner?«, fragte er mit Hoffnung in der heiseren Stimme.
Gekleidet war Stepan sorgfältig, schwarze Hosen, schwere Stiefel mit dicken Sohlen, geringeltes Matrosenshirt.
»Aber Gärtner stellt man doch am Ende des Winters ein?«, fragte Elena Andrejewna verwundert.
»Ich mache es umgekehrt, fange jetzt an und höre im Spätwinter auf. Ich beschneide die Bäume, bringe alles in Ordnung und ziehe weiter. Bäume brauchen das ganze Jahr Pflege! Und zahlen müssen Sie mir nicht viel. Geben Sie mir hundert Griwni im Monat, plus Nachtlager und Essen. Ich koche auch gern selbst…«
›Hundert Griwni im Monat?!‹, dachte Elena Andrejewna. ›Wie denn, so billig?! Von außen wirkt er ja nicht schlecht, und kräftig!‹
Sie sah sich nach ihrem Sohn um, hätte sich gern mit ihm beraten. Aber Igor war nicht im Hof. Und vielleicht war das auch gut so. Sonst sagte er noch, die Mutter würde im [7] Alter närrisch, wenn sie ernsthaft überlegte, für hundert Griwni im Monat einen Gärtner einzustellen!
»Unser Haus ist klein«, seufzte sie und rang sich, ohne den Sohn, zu keiner Entscheidung durch.
»Ein Haus brauche ich gar nicht. Ich kann auch in Ihrem Schuppen schlafen. Hauptsache, es gibt im Winter was zum Zudecken. Wodka trinke ich keinen, stehlen tu ich auch nicht…«
Fragend sah Elena Andrejewna zu ihrer Nachbarin. Olga nickte, als würde sie diesen Stepan seit Jahren kennen.
»Ja, bleiben Sie erst mal.« Elena Andrejewna hatte sich ergeben. »Unser Schuppen ist aus Stein und ist leer, wir halten kein Geflügel. Dort steht ein Bett, mit Matratze. Eine Steckdose gibt es auch. Ich muss noch mit meinem Sohn reden…«
Stepan hatte den gemauerten Schuppen, der hinterm Haus hervorsah, schon entdeckt, nickte und ging gleich hin.
»Kennst du ihn schon lange?«, fragte Elena Andrejewna die Nachbarin Olga.
»Er war so vor zwei Jahren schon mal da. Hat nichts gestohlen, alles repariert und im Gemüsegarten geholfen. Was soll ich sagen?! Ein nützlicher Mann…«
Elena Andrejewna zuckte die Achseln und lief ins Haus, um Igor zu suchen.
Igor reagierte gleichgültig auf den unerwartet aufgetauchten Gärtner. Er rauchte gierig eine Zigarette, als seine Mutter ihm die Neuigkeit verkündete.
»Soll er die Kartoffeln ausgraben!«, sagte Igor. »Zu zweit schaffen wir es sowieso nicht.«
Die Kartoffeln hatte Stepan schnell ausgegraben. Allein [8] grub er sie aus, allein schüttete er sie zum Trocknen hinten in den Hof. Da freute sich Elena Andrejewna das erste Mal still an seiner Hilfe. Sie gab ihm gleich hundert Griwni, als Vorschuss für einen Monat. Und am Abend kochte sie ein Essen, aus eben
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