Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Gebet für die Verdammten

Ein Gebet für die Verdammten

Titel: Ein Gebet für die Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
gewiß von deinem Gefährten erfahren, daß Ultán und ich auf nicht eben freundschaftlichem Fuß standen? Wenn ich mich nicht irre, Bruder Eadulf, warst du vor der Kapelle Zeuge meines letzten Zusammentreffens mit dem Kleriker aus dem Norden.«
    Eadulf fühlte sich ertappt und fragte rasch: »War es das letzte Mal, daß du Ultán begegnet bist?«
    »Jedenfalls, daß ich mit ihm gesprochen habe. Worüber ich keineswegs bekümmert bin, und ich muß auch in aller Offenheit gestehen, daß ich nicht sonderlich um ihn trauere, obwohl wir Brüder in Christo waren. Ultán von Cill Ria war keiner, der dazu beitrug, diese Welt in einen Ort der Freude zu verwandeln.«
    »Du bist aufrichtig, Abt Augaire«, bemerkte Fidelma.
    »Probitas laudatur et alget«,
erwiderte der Abt.
    »Du liest Juvenal?« Fidelma kannte das Zitat: Redlichkeit erntet Lob – und muß frieren.
    »Ich bewundere seine ›Satiren‹.«
    »Was mich angeht, so preise ich die Redlichkeit nicht nur, sondern beachte sie als Grundlage meiner Schlußfolgerungen. Offenbar mochtest du den dahingegangenen Abt Ultán nicht. Daher sollten wir zunächst klarstellen, wo du gestern um Mitternacht warst.«
    Abt Augaire mußte sich das Lachen verbeißen. »Ich weiß, du bist eine äußerst redliche
dálaigh,
Fidelma von Cashel. Es wäre also töricht, so zu tun, als würde ich andere Gefühle für Ultán hegen, als ich es wirklich tat. Und was die Frage betrifft, wo ich war … Ich habe eine Partie
brandubh
mit Dúnchad Muirisci von den Uí Fiachracha Muaide gespielt, und das bis kurz vor Mitternacht.«
    »Mit Dúnchad Muirisci, dem Thronfolger von Muirchertach Nár?«
    Der Abt nickte mechanisch. »Danach habe ich mich unmittelbar in meine Kammer hier begeben und bin fast sofort eingeschlafen. Außerdem«, fügte er lächelnd hinzu, »muß ich leider sagen, daß mich unterwegs niemand gesehen hat. Einen Beweis für meinen Verbleib gibt es daher nur bis zu dem Augenblick, in dem ich Dúnchad Muirisci verließ. Oh, das ist gelogen. Auf dem Weg von Dúnchad Muiriscis Kammer biszu meiner bin ich einem der Leibwächter deines Bruders begegnet. Ich habe ihm eine ruhige Nacht gewünscht, und er mir ebenfalls.«
    »Dúnchad Muiriscis Kammer ist nur ein kleines Stück den Gang entlang von Abt Ultáns Gemach entfernt. In welche Richtung bist du gegangen?« wollte Eadulf wissen.
    »An Ultáns Tür bin ich nicht vorbeigekommen, obwohl sie vom Eingang zu Dúnchad Muiriscis Kammer zu sehen ist.«
    Eadulf runzelte die Stirn. »Woher hast du gewußt, welches Ultáns Gemach war?«
    Einen Augenblick stutzte der Abt, doch sogleich wich die Anspannung einem Lächeln. »Das ergab sich einfach so. Als ich zu Dúnchad Muiriscis Kammer unterwegs war, wo wir unsere Partie
brandubh
spielen wollten, sah ich Ultán durch eine Tür gehen, genau in der Ecke, an der der Gang im rechten Winkel abbiegt. Ich nehme an, daß dort sein Gemach war. Da habe ich ihn zum letzten Mal gesehen, allerdings ohne mit ihm ein Wort zu wechseln.«
    »Und wann war das?« fragte Eadulf.
    »Ziemlich bald nach der Abendmahlzeit. Kaum war er in sein Gemach gegangen, da hastete jemand aus seinem Gefolge an mir vorbei, den ich gar nicht hatte kommen hören. Besagte Person eilte geradewegs zu seiner Tür und trat ein, ohne anzuklopfen. Die Tür war noch nicht richtig zu, da hörte man schon Ultáns herrische Stimme.«
    »Wer aus seinem Gefolge war das? Bruder Drón?«
    Abt Augaire schüttelte den Kopf. »Eine der beiden Frauen, die mit ihm gekommen sind.«
    »Erkannt hast du sie wohl nicht? Kannst du sie beschreiben?«
    »Außer Bruder Drón kenne ich niemand von seinem Gefolge. Und was das Beschreiben angeht, ich habe nur ihrenRücken gesehen, als sie an mir vorbeirauschte. Sie trug einen langen Mantel und hatte die
cabhal
über den Kopf gezogen. An den Duft, der sie umgab, kann ich mich noch erinnern. Was es war, weiß ich nicht, ich kenne mich da nicht so aus. Es roch jedenfalls stark, vielleicht nach Geißblatt. Das war früh am Abend. Ultán soll wohl um Mitternacht umgebracht worden sein, und man redet davon, daß Muirchertach gesehen wurde, wie er aus dem Zimmer floh.«
    Fidelma seufzte. »Ständig ist von ›fliehen‹ die Rede. Dieses Wort läßt gleich eine Schuld vermuten und hindert uns, den Mord aufzuklären.«
    »Also was mich betrifft, so finde ich, derjenige, der Ultán getötet hat, hat der Menschheit einen guten Dienst erwiesen«, sagte der Abt voller Überzeugung.
    »Wie dem auch sei, Ultán wurde ermordet, und

Weitere Kostenlose Bücher