Ein Gebet für die Verdammten
in den Tod getrieben hatten«, erwiderte er heftig.
»Aber was konntest du wirklich unternehmen?«
Abt Augaire gab sich einen Ruck und fand langsam in seine eigentliche Gemütsverfassung zurück. »Ich habe Muirchertach und Aíbnat aufgesucht und sie von dem in Kenntnis gesetzt, was ich erfahren hatte. Muirchertach war erfreut …«
»Erfreut? Das ist eine merkwürdige Art, auf ein tragisches Ereignis zu reagieren.«
Der Abt überlegte einen Moment. »Vielleicht ist mir da ein falsches Wort über die Lippen gegangen. Er war erfreut darüber, daß nun die Wahrheit über Searc ans Tageslicht kam. Ich hatte das Geheimnis gelüftet, warum sie sich das Leben genommen hatte.«
»Und Aíbnat, war die darüber auch … eh … erfreut?«
Abt Augaire zog plötzlich ein Gesicht. »Aíbnat ist eine hochmögende adlige Dame vom Stamm der Uí Briúin. Ihre wesentlichen Gefühlsregungen sind Gereiztheit und Zornausbrüche. Und die hat sie in reichlichem Maße. Sie hat sich überhaupt nicht geäußert, hat nicht einmal Dankbarkeit bekundet, daß dieses Geheimnis nun aufgedeckt ist. Sie ist eine verdrießliche, düstere Seele.«
»Vielleicht aus gutem Grund?« forschte Fidelma. »Ihre jüngere Schwester hat sich umgebracht. Das könnte Anlaß genug sein, trübsinnig zu werden.«
Der Abt beugte sich vor, als wollte er ihr etwas Vertrauliches mitteilen. »Um dir die Wahrheit zu sagen, Fidelma von Cashel, ich glaube nicht, daß der Tod ihrer Schwester ihr sonderlichnahegegangen ist. Während meiner, wie soll ich sagen, Nachforschungen habe ich etliches gehört. Es hieß, sie waren sich nicht in Liebe zugetan. Ja, man munkelte sogar, Aíbnat wäre auf ihre makellos schöne Schwester eifersüchtig gewesen.«
»Doch ist ihr der Verlust der Schwester immerhin so nahegegangen, daß sie Sühnegeld von Ultán einforderte«, merkte Eadulf an.
Der Abt schaute zu ihm auf und verneinte. »Das war Muirchertachs Einfall. Er meinte, es würde seine Frau besänftigen. Mir hat er diese Idee unterbreitet, ohne sich vorher mit Aíbnat beraten zu haben. Später stellte sich sogar heraus, daß sie dagegen war.«
»Wie soll man das verstehen?« wunderte sich Fidelma.
»Also, zuerst war Muirchertach, wie schon gesagt, sehr angetan von dem, was ich herausbekommen hatte. Er wollte mich belohnen, und es lag in seiner Macht, mich zum Abt eines der Klöster in seinem Königreich zu ernennen.«
Fidelma nickte. Es war nicht unüblich, daß Könige, die in ihrer Provinz eine ziemliche Machtfülle besaßen, als Belohnung auch Kirchenämter vergaben.
»Wenige Monate zuvor war der heilige Féchin, der Abt von Conga, das liegt nördlich vom Loch Corrib, an der Gelben Pest verstorben. Das alles ereignete sich etwa zu der Zeit, als die große Synode von Whitby tagte.«
»Ja, ich hatte auch davon gehört, daß Abt Féchin erkrankt und dann gestorben war«, bestätigte Fidelma.
»Damals war ich ein armer kleiner Mönch, und da war es schon eine unglaubliche Sache, mit einer solchen Abtei belohnt zu werden. Der Ruf des heiligen Féchin war weit verbreitet, und von seinen guten Werken sprach man in allen fünf Königreichen. Muirchertach ließ also seinen oberstenBischof kommen, und ich wurde nicht nur zum Abt von Conga geweiht, sondern auch zum Bischof.«
»Und diese Belohnung wurde dir zuteil, weil du herausgefunden hattest, warum sich Searc das Leben nahm?« fragte Eadulf sarkastisch.
Grinsend neigte Augaire den Kopf zur Seite. »Ich glaube, da spielte Politik mit.«
»Politik?«
»Lady Aíbnat ist die Tochter des Rogallach mac Uatach von den Uí Briúin Aí, und die liegen mit den Uí Fiachracha wegen des Königthrons von Connacht im Streit.«
Wieder hatte Eadulf Mühe, sich in den Stammesfehden zurechtzufinden.
»Rogallach war König von Connacht und starb vor etwa zwanzig Jahren«, erklärte ihm Fidelma rasch. »Nach seinem Tod nahmen Féchin und andere leitende Kirchenmänner Einfluß darauf, daß zuerst Laidgnén von den Uí Fiachracha König wurde und danach dessen Bruder Guaire Aidne. Guaire aber war Muirchertachs Vater.«
Abt Augaire bekräftigte ihre Erklärung. »Muirchertach wollte die Abtei Conga in jemandes Hände legen, der ihm zu Dank und somit auch zur Lehnstreue verpflichtet war.«
»Und dazu stehst du?« bohrte Fidelma.
»Ich mache kein Geheimnis daraus. Mein Vater war ein Jäger, ein Fährtenfinder. Ich komme aus sehr bescheidenen Verhältnissen, doch jetzt als Abt und Bischof unterstehen mir Ländereien, gegen die Ultáns
Weitere Kostenlose Bücher