Ein Gebet für die Verdammten
irgend etwas hielt er hinterm Berg.
»Du weißt sehr gut, daß das unmöglich ist, Colgú.«
»Ninnid ist bereit, als Hauptankläger zu fungieren, und der Oberste Richter hat zugesagt, den Vorsitz zu führen. Sie warten nur darauf, daß du sagst, die Verhandlung kann beginnen.«
»Ich bin noch nicht soweit. Es steckt mehr dahinter, als Ninnid zur Sprache bringen würde.«
»Ninnid ist ein Großkotz«, murmelte Eadulf.
»Wichtigtuerisch mag er sein, mein Freund«, äußerte sich Colgú, »aber in Rechtsfragen gilt er als ungemein scharfsinnig.«
»Auch wenn wir unter Druck stehen, wir brauchen mehr Zeit.« Fidelma ließ sich nicht beirren.
»Über einen angemessenen Zeitraum hinaus darfst du die Sache nicht verzögern. Ninnid hat das Recht, die Verhandlung ohne weiteren Zeitverzug anzusetzen«, mahnte Colgú,und Fidelma wußte nur zu gut, daß die Spielregeln so und nicht anders waren. »Barrán geduldet sich lediglich, weil er weiß, um wen es sich bei Muirchertach handelt, und auch aus Höflichkeit dir gegenüber. Ginge es um eine weniger wichtige Persönlichkeit als den König von Connacht, würde nicht soviel Aufhebens gemacht werden.«
»Aber was für eine Gerichtsverhandlung wäre das?« empörte sich Fidelma. »Ist es nicht recht und billig, sich genügend Zeit zu lassen, damit auch tatsächlich die Wahrheit ans Licht kommt, ehe ein Mensch in aller Eile verurteilt wird?«
Ihr Bruder zuckte vielsagend mit den Schultern.
»Dictum sapienti sat est«
, meinte er. »Für den Verständigen genügt es. Barrán und der Hochkönig werden nicht ewig warten.«
»Eine Ewigkeit wird es ja auch nicht brauchen, Bruder. Ich lasse mich jedoch nicht in eine Verhandlung drängen, wenn sich mir noch nicht die Wahrheit erschlossen hat.«
»Du hast aber nichts dagegen, wenn ich unseren Gäste etwas Ablenkung biete?«
»Wenn die Gäste darauf Lust haben, bitteschön. Wird auch Blathmac, der König von Ulaidh, dabei sein? Unter den adligen Herrschaften hätte ich zumindest von ihm erwartet, daß er um einen Abt seines Königreichs trauert.«
»Ich glaube nicht, daß Ultán außer der Begleitung, mit der er angereist ist, irgendwelche Freunde hatte, die um ihn trauern. Selbst Blathmac schien ihn nicht sonderlich zu mögen. Und Muirchertach ist bereit, sein Ehrenwort in aller Form zu erneuern, damit er mit auf die Jagd reiten kann. Ich wüßte nicht, was dagegen sprechen sollte. Ich werde also alles in die Wege leiten. Der Gedanke an den Ausflug wird unsere Gäste wenigstens einen weiteren Tag bei Laune halten.«
»Muirchertach will mit auf die Jagd?« staunte Fidelma. »Damuß er ja großes Vertrauen in meine Fähigkeit haben, ihn zu entlasten. Na schön, unterhalte die Gäste so gut du kannst, Bruder. Aber trotz seines Ehrenworts hab bitte ein Auge auf Muirchertach.«
»Hältst du ihn für tatverdächtig?« fragte Colgú rasch.
»Keinesfalls. Aber es könnte Leute geben, die ihm nicht wohlgesonnen sind und es auf ihn abgesehen haben. Es wäre töricht, unseren Gästen allzu freien Lauf zu lassen.«
»Den Hochkönig können wir wohl schwerlich zu den Verdächtigen zählen.« Colgú grinste.
»Ich möchte lediglich, daß diese Jagd unter scharfer Bewachung verläuft.« Sie hatte plötzlich eine Eingebung und blickte zu Eadulf, der sogleich abwehrend den Kopf schüttelte. »Ich muß hier bleiben; wir müssen die Untersuchungen vorantreiben.«
»Mir wäre lieber …«, begann sie, und Colgú begriff sofort, worauf sie hinauswollte. Lachend klopfte er Eadulf auf die Schulter.
»Eine großartige Idee. Ich glaube nicht, daß du schon mal an einer unserer Wildschweinjagden teilgenommen hast, Eadulf. Dabei kannst du viel lernen.«
Der gab geradezu ein Jammerbild ab. »Ich bin ein schlechter Reiter …«
»Unfug.« Colgú ließ ihn nicht aussprechen. »Die Treiber sind ohnehin zu Fuß und vorneweg mit ihren Hunden. Nur die Edelleute, die Speerträger, folgen zu Pferd. Und hinter denen kommen die Damen, ebenfalls hoch zu Roß. Du hast also die Wahl. Du kannst gut und gerne zu Fuß mit den Treibern gehen.«
Fidelma hatte Mitleid mit ihm.
»Nimm doch den jungen Gormán mit, der geht dir gut zur Hand. Außerdem kann er dir auch die Einzelheiten der Jagderklären. Aber halte dich immer in der Nähe von Muirchertach.«
Eadulf blieb nichts anderes übrig, er mußte sich mit seinem Schicksal abfinden. »Und was machst du inzwischen?« fragte er schlecht gelaunt.
»Wir können heute sowieso nicht mit allen sprechen. Es gibt
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