Ein Gebet für die Verdammten
einer das Königreich lenken, wenn er die Tagesfragen nicht mit dir bespricht?« fragte Eadulf verwundert.
»Willst du die Wahrheit wissen? Die Stämme von Connacht sind in Anarchie versunken. Muirchertach hat den Zweig der Fiachra in Verruf gebracht. Gott sei Dank bin ich nur ein Vetter von ihm und gehöre zum Stamm der Muaide.«
»Wenn das tatsächlich so ist, weshalb besinnt sich dann niemand auf die Rechtsordnung und erklärt Muirchertach für unfähig, sein Amt auszuüben?« forschte Fidelma.
»Das wird nicht mehr lange dauern. Viele Freunde hat er nicht, auch die eigene Frau hält nicht zu ihm.«
»Genau deshalb interessiert mich, wieso er darauf bestand, von Ultán Sühnegeld zu erstreiten«, entgegnete Fidelma.
»Eigentlich kann nur Aíbnat darauf gedrängt haben, einen anderen Grund sehe ich nicht. Vielleicht wollte er ihr imponieren und so erreichen, daß sie ihm wieder zugetan ist?«
»Mag sein. Aber wenn, wie es heißt, Aíbnat kein enges Verhältnis zu ihrer jüngeren Schwester hatte, ist das auch kein hinreichender Grund.«
»Das mußt du am besten mit Muirchertach selbst besprechen«, erklärte Dúnchad Muirisci.
»Das werde ich tun.«
Unvermutet setzte Dúnchad Muirisci eine ernste Miene auf und suchte Fidelmas Blick. »Ich habe gesagt, ich würde ehrlich sein. Zwischen Muirchertach und mir besteht keinerlei Zuneigung. Schon als Kind habe ich ihn gemieden. Er war von Natur aus boshaft, und später hatte er es mit den Frauen. Ich war überrascht, als Aíbnat und er ein Paar wurden, erklärte es mir aber damit, daß Aíbnat eine Uí Briúin Aí und ehrgeizig war.« Eine Frau überquerte den Hof. »Ah, Lady Fína. – Ich bitte, mich zu entschuldigen. Ich habe versprochen, mit ihr heute nachmittag auszureiten, solange es hell ist.« Unvermittelt eilte er der Gestalt hinterher, die in Richtung der Ställe verschwand.
Befriedigt war Fidelma von dem Gespräch nicht. »Irgend etwas stimmt hier nicht«, erklärte sie, zu Eadulf gewandt.
»Das hast du schon vorhin gesagt.«
»Dann sage ich es eben noch einmal. Ich fürchte, wir stehen erst am Anfang unserer Nachforschungen.«
»Und uns bleibt eine Menge zu tun. Machen wir uns lieber gleich auf den Weg und suchen Fergus Fanat.«
Vom Hauptmann der Leibwache erfuhren sie, daß Fergus Fanat unten in der Stadt beim Treibballspiel,
immán,
war, zudem die etwas aktiveren Gäste zwei Mannschaften aufgestellt hatten. Caol war erleichtert und wieder zugänglicher, nachdem Colgú ihm beteuert hatte, daß ihm das Fehlen einer Wache vor Ultáns Gemach nicht angelastet werden würde.
Der Himmel blieb bewölkt, aber wenigstens war es trocken, und Fidelma schlug vor, den Weg zum Spielfeld zu Fuß zurückzulegen. Die begrünte Fläche, auf der üblicherweise derartige Spiele ausgetragen wurden, befand sich jenseits der letzten Häuser der Siedlung. Eadulf war einverstanden, und so marschierten sie zur Stadt hinunter, begleitet von neugierigen Blicken, sofern die Leute sie erkannten. Die meisten wußten, daß es der Tag ihrer offiziellen Eheschließung hätte sein sollen, manchen war ihr Mitgefühl anzumerken, während andere nicht recht wußten, wie sie reagieren sollten. Fidelma schien die kleinen Gruppen, die sich hinter ihnen bildeten, ihr Tuscheln, ihre mitleidigen Blicke gar nicht zu bemerken.
Schon von weitem hörten sie das fröhliche Treiben. Das Schreien und die Hurra-Rufe der Zuschauer waren zuverlässige Wegweiser. Sie suchten sich einen günstigen Fleck, von dem aus sie das Geschehen gut übersehen konnten. Die Aufgabe der Spieler beider Mannschaften bestand darin, mit Holzstöcken den Ball ins gegnerische Tor zu befördern.
Eadulf fand das Spiel ungemein aufregend; durch das wilde Herumfuchteln mit Eschenholzstöcken kam es leicht zu blauen Flecken und Platzwunden und oft genug auch zu ernsthaften Verletzungen. Für die Spieler war es Ein-sich-Üben in der Kriegskunst mit anderen Mitteln. Anweisungen und Flüche tönten über das Feld, wenn eine Strategie nicht aufgegangen war oder wenn die Männer mal in die eine, mal in die andere Richtung rannten. Auf Eadulf wirkte das Ganze wie ein wildes Durcheinander mit nur wenigen Regeln, doch als er das Fidelma gegenüber äußerte, belehrte sie ihn.
»Da hast du unrecht, wir haben strenge Spielregeln. Schau, da vorne steht Brehon Baithen; er verfolgt das Spiel und achtet darauf, daß sie eingehalten werden. Einem Mitspieler zum Beispiel mit Absicht einen Schlag zu versetzen wird mit einer Geldstrafe
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