Ein Gebet für die Verdammten
Pferd. Es gelang ihm, das Tier in einem ruhigen Trott zu halten, so daß Gormán und er nebeneinander reiten konnten.
Schon bald wurde der Wald lichter, sie ritten durch Niederholz und weiter an bestellten Feldern vorbei, die zwischen den Hügeln lagen. In einiger Entfernung vor ihnen entdeckten sie dann einige der Jäger zu Pferde, auch Treiber mit ihren Hunden. Die Hunde jaulten, während die Männer sie mit kräftigen Zurufen anzuspornen suchten. Man schien sich um irgend etwas zu scharen.
Plötzlich schoß besagtes Etwas aus der Umkreisung heraus. Ein gewaltiges dunkles Wesen raste direkt auf Eadulf zu, groß und kräftig und mit mächtigen Schultern. Es hatte die Höhe eines riesigen Jagdhundes, war von den Ausmaßen her aber viermal so groß. Aus dem grunzenden Maul stachenscharfe weiße Hauer hervor, und die kleinen Augen blitzten rot und böse.
Mit angsterfülltem Wiehern schreckte sein Pferd zurück. Das geschah so heftig, daß es Eadulf aus dem Sattel riß. Er stürzte und landete mit solcher Wucht auf dem Boden, daß es ihm den Atem verschlug. Schreie und Alarmrufe kamen aus allen Richtungen.
Er blinzelte, versuchte zu sich zu kommen und nahm einen seltsam strengen Geruch wahr. Das konnte nur der übelriechende Atem eines wilden Tieres sein. Er öffnete die Augen und sah über sich ein schwarzes Ungetüm. Auch erkannte er ein rotes Auge, einen rosafarbenen Rachen, scharfe gelbe Zähne und gebogene Hauer.
Das Blut stockte ihm in den Adern; schnell schloß er wieder die Augen.
Als nächstes vernahm er ein Geräusch, als würde eine Hand auf nacktes Fleisch klatschen. Dem folgte ein gräßliches Quieken, und die Masse über ihm löste sich. Sie bewegte sich mit erstaunlicher Wendigkeit. Das Grunzen und Quieken entfernte sich. Vorsichtig machte er die Augen auf – das Untier war verschwunden. Dann zog ihn jemand hoch und brachte ihn zum Sitzen. Es war Gormán.
»Bist du verletzt, Bruder Eadulf?«
Prüfend tastete sich Eadulf ab, ehe er vorsichtig und mit Gormáns Hilfe aufstand.
»Nur ein wenig außer Atem und ein paar blaue Flecke«, bekannte er.
Geschrei und Gejohle näherten sich, ein Reitertrupp raste an ihnen vorbei. Dem folgten grölende Männer zu Fuß mit ihren Hunden. Dann waren sie wieder allein.
»Was, um Himmels willen, war das?« fragte Eadulf.
»Du hast die Bekanntschaft mit einem Keiler gemacht.«Gormán grinste. »Fast wäre es um dich geschehen gewesen.«
Eadulf erschauerte. »Ich dachte schon, es ist soweit. Was hat ihn von mir abgelenkt?«
»Ich hab ihm mit dem Schwert eins über den Rüssel gegeben, da hat er von dir abgelassen. Dann kamen die Jäger, und die haben ihn zurück in den Wald gejagt. Wenn er im Schutz der Bäume und des Dickichts bleibt, werden sie ihn nicht erwischen.«
Eadulf rieb sich den Nacken und drehte den Kopf in alle Richtungen, um sicherzugehen, daß er keinen Schaden genommen hatte. Dann entsann er sich, was ihn eigentlich hergeführt hatte.
»War Muirchertach mit dabei?« fragte er besorgt.
»Gesehen habe ich ihn nicht«, erwiderte Gormán. »Verdammt!« fluchte Eadulf.
Gormán saß wieder auf und wartete, bis auch Eadulf im Sattel saß.
»Vielleicht ist er bei der anderen Gruppe geblieben, als sie sich an der Lichtung teilten«, meinte Gormán.
»Dann ziehen wir ihnen am besten hinterher.«
Sie ritten zur Lichtung zurück und erspähten dort einen einsamen Reiter. Es handelte sich um eine Frau. Als sie die beiden gewahr wurde, zügelte sie ihr Pferd, entschloß sich für eine andere Abzweigung und war bald darauf verschwunden. Allem Anschein nach hatte sie ihnen aus dem Weg gehen wollen.
»Eine der Frauen, die sich der Jagd angeschlossen haben«, stellte Gormán fest. »Ich glaube nur, sie hat sich für die falsche Richtung entschieden. Soll ich ihr hinterher?«
»Sie reitet ziemlich schnell«, meinte Eadulf. »Hast du mitbekommen, wer sie war?«
Gormán schüttelte den Kopf.
»Das war Schwester Marga aus der Begleitung von Abt Ultán. Aber das mit dem Pferd ist merkwürdig. Wenn mich nicht alles täuscht, hat Ultán es bei seiner Ankunft geritten.«
Gormán machte ein mürrisches Gesicht. »Offensichtlich setzt sie sich über allgemeine Gepflogenheiten hinweg. Man würde doch erwarten, daß beim Hinscheiden eines Vorgesetzten auch für sie eine gewisse Trauerzeit gilt.«
Stirnrunzelnd blickte er auf, denn Geplauder und Lachen schallten ihnen entgegen. In lässigem Tempo kam eine kleine Schar Damen angeritten. Sie gehörten zu dem Trupp,
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