Ein Gebet für die Verdammten
Unterredung unzufrieden. Sie hatte das merkwürdige Gefühl, daß etwas nicht ganz richtig lief. Schwester Sétach war klug, verständig und schlagfertig und verteidigte tapfer Abt Ultán und dessen Ansichten. Ihr Versuch, während der letzten Nacht in die Kammer des Abts zu gelangen, bewies, daß sie ungemein mutig war. Befragte man sie aber eindringlich, dann beteuerte sie, rein gar nichts zu wissen. Das grenzte schon an Naivität. Es brachte jetzt nichts, weiter in sie zu dringen, ohne Näheres zu wissen.
Wissen, das brauchte man! Aber unter den gegebenen Umständenan Wissen zu gelangen war wie Zähne ziehen. Ohne Überleitung dankte Fidelma dem Mädchen und ging rasch aus der Kapelle. Völlig verwirrt schaute ihr Schwester Sétach nach.
Fidelma wußte, daß es in der Festung ihres Bruders nur wenige Stellen gab, an denen sich Schwester Marga aufhalten konnte. Sie ging die Treppen zum Hof hinunter. Finguine stand noch bei einer Gruppe Krieger am Tor, und als sie näher kam, rief er ihr zu: »Hast du nicht die beiden Begleiterinnen von Bruder Drón gesucht?«
»Schwester Sétach habe ich gefunden, aber Schwester Marga scheint nirgendwo zu sein.«
»Meinst du die jüngere von den beiden? Die hübsche Kleine mit dem blonden Haar und den blauen Augen?«
Fidelma mußte lächeln, als ihr Vetter das Mädchen so angelegentlich beschrieb.
»Das dürfte sie sein, ja«, erwiderte sie ernst, denn auf Schwester Sétach traf seine Beschreibung beim besten Willen nicht zu.
»Mir ist das erst eingefallen, als du auf der Suche nach den beiden bereits in den Schlafsaal gegangen warst«, sagte Finguine sich entschuldigend. »Sie ist mit den Damen losgeritten.«
Fidelma blieb stehen. »Mit den Damen … und losgeritten?« wiederholte sie verwundert.
»Ja, auf die Wildschweinjagd«, bestätigte ihr der Vetter. »Sie muß sich ein Pferd verschafft haben und ist heute morgen im Gefolge der Damen zur Jagd geritten.«
KAPITEL 12
Zwischen den dunklen Eichenstämmen und in dem dichten Unterholz war kaum etwas zu erkennen. Aus der Ferne drang der schwache Klang eines Jagdhorns an ihr Ohr. Gormán beugte sich in seinem Sattel vor und lauschte gespannt.
»Die Hunde haben die Spur aufgenommen«, stellte er befriedigt fest.
Sie vernahmen Hundegebell, schon mischte sich das Tönen von Jagdhörnern in das Gekläff, und durch die Echowirkung verbreitete sich das Jagdfieber im ganzen Wald. Die Hörner schmetterten in immer kürzeren Abständen, ein Zeichen dafür, daß man die Beute gesichtet hatte.
Colgú vor ihnen hob seinen Speer, den
bir,
stieß einen Schrei aus und stürmte vorwärts. Im Nu ritten alle im Galopp.
»Immer mit der Ruhe, übertreib’s nicht!« warnte Gormán, aber unbeirrt gab Eadulf seinem Pferd die Sporen.
»Ich muß an Muirchertach dranbleiben«, rief er.
Er betonte ständig, kein guter Reiter zu sein, doch jetzt hing er tief über dem Nacken seines Pferdes, preßte die Schenkel in dessen Flanken, hielt die Zügel straff und war darauf bedacht, nicht ruckartig an den Zügeln zu zerren und sie so zu halten, daß die Auf-und-Ab-Bewegung des riesigen Kopfes des Tieres beim Galoppieren nicht behindert wurde. Trotz seines Bemühens, den Schecken von Muirchertach nicht aus dem Blickfeld zu verlieren, nahm ihm die wehende Mähne des eigenen Gauls bald jede Sicht. Er konnte sich nur darauf verlassen, daß der wußte, wohin er strebte.
Niedrig hängende Zweige und Gestrüpp tauchten aus dem Nichts vor ihm auf und drohten ihn aus dem Sattel zu reißen, aber immer wieder wußte das Tier, die Hindernisse zu meiden.Mehr liegend als sitzend klammerte er sich an den breiten Pferderücken. Die Hufschläge hinter ihm hörte er zwar, aber sich nach Gormán umzudrehen, wagte er nicht. Der Blick nach vorne war ihm wichtiger.
Eadulfs Pferd gab sein Bestes her, schien aber die Grenzen seines Reiters zu spüren. Schon bald vergrößerte sich ihr Abstand zu der Gruppe vor ihnen. An einem Punkt verengte sich der Pfad dermaßen, daß das Tier ohne Eadulfs Zutun sein Tempo verlangsamte, und an der nächsten Lichtung war von den anderen Reitern nichts mehr zu sehen. Eadulf blieb stehen, und gleich darauf war Gormán neben ihm.
»Ich hab sie verloren«, sagte Eadulf ärgerlich.
Gormán lauschte. »Wahrscheinlich haben sie sich aufgeteilt. Die einen sind dem Weg hier links gefolgt, die anderen sind nach rechts weg.«
Von rechts ertönten die Jagdsignale der Hörner. Es klang ziemlich nah.
»Dort lang!« rief Eadulf und wendete sein
Weitere Kostenlose Bücher