Ein Gebet für die Verdammten
der den eigentlichen Jägern gefolgt war, gaben sich völlig entspannt, schwatzten und lachten und gebärdeten sich wie auf einem harmlosen Ausflug. In ihrer Begleitung waren Bedienstete, die Körbe mit Essen und Trinken trugen.
Einer aus dem Gefolge erkundigte sich bei Gormán, welchen Weg die Hauptgruppe der Jäger genommen hätte, und der wies ihnen die Richtung, wo sie sie zuletzt gesehen hatten.
»Colgú, mein Herr, der Hochkönig und die anderen trieben dort gerade erst einen Keiler vor sich her. Seid vorsichtig, meine Damen, mit dem großen Tier ist nicht zu spaßen.«
Sie stießen kleine Entsetzensschreie aus, aber wirklich ernst nahmen sie die Situation nicht. Der Gefolgsmann bedankte sich, und der Trupp zog weiter. Eadulf war inzwischen schon etwas vorgeritten und in den zweiten Weg links eingebogen. Rasch holte ihn Gormán ein.
»Die Damen halten das für ein harmloses Vergnügen. Sie sind sich überhaupt nicht der Gefahren bewußt«, stellte er verstimmt fest.
»Mir ging das nicht anders«, meinte Eadulf trocken. »Ver zeih , ich habe mich bei dir gar nicht bedankt wegen vorhin. Du hast mir das Leben gerettet.«
Gormán machte eine abwehrende Gebärde. »Weil ich dem Vieh eins auf die Schnauze gegeben habe? Das ist nicht der Rede wert. Es war aufgescheucht und verschreckt, hätte wahrscheinlich ohnehin das Weite gesucht. Die Jäger waren ihm auf den Fersen.« Er verlangsamte das Tempo, schaute sich um und fluchte leise. »Es tut mir leid, Bruder Eadulf, aber ich fürchte, wir haben die andere Gruppe verloren. Ich kann keine Spuren erkennen, die darauf hindeuten, daß hier eine größere Reiterschar entlanggezogen ist. Das ist immer das Problem bei solchen Jagden – die Leute zerstreuen sich überall.«
»Sollen wir lieber umkehren?« Noch während er sprach, hörten sie erneut Pferdegetrappel, das allerdings von lautem Männerlachen übertönt wurde.
» Hóigh !«
rief Gormán, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, und noch einmal:
»Hóigh!«
Der Ruf wurde erwidert, und wenige Augenblicke später tauchten links aus dem Wald zwei Reiter auf. Der eine war Augaire, und hinter ihm erkannten sie das scharfkantige Gesicht von Lady Aíbnat.
»Bruder Eadulf«, grüßte ihn der Abt leutselig. »Habt ihr euch verirrt?«
Gormán antwortete statt seiner: »Verirrt nicht, aber wir haben den Haupttrupp der Jäger aus den Augen verloren.«
Lächelnd schüttelte Augaire den Kopf. »Dafür haben wir uns eindeutig verirrt. Ich würde denken, der Haupttrupp ist in die Richtung da gezogen.« Er wies hinter sich, von wo sie gekommen waren. »Wir wollten eigentlich nach Cashel zurück, wenn uns das gelingt.«
Gormán nickte. »Da müßt ihr nur dem Weg hier folgen, bis ihr an eine ziemlich große Lichtung kommt. Dort haltet euch westlich, die Spur führt zur Hauptstraße und direkt nach Cashel.«
Abt Augaire und Lady Aíbnat wollten sich in Bewegung setzen, aber Eadulf hielt sie mit seiner Frage zurück. »Hast du irgendwo unterwegs deinen Mann gesehen, Lady?«
»Ich vermute ihn bei dem Haupttrupp der Jäger«, erwiderte sie gereizt.
»Ich dachte, er wäre mit einer anderen Gruppe mehr in die Richtung dort geritten«, erklärte Eadulf und deutete in die Gegend, aus der die beiden aufgetaucht waren.
Abt Augaire schüttelte den Kopf. »Wir sind niemandem begegnet. Allerdings gehörte ich zu der Gruppe, die vom Hochkönig abgesprengt wurde. Wir haben versucht, von hinten herum an die Keiler heranzukommen, haben uns aber dabei verloren. Ich glaube nicht, daß ihr dort hinten noch irgend jemand findet.«
Eadulf bedankte sich für die Auskunft, und man trennte sich. Gormán sah den beiden nach, die seiner Wegbeschreibung zur Lichtung folgten. »Es will mir einfach nicht in den Kopf«, murmelte er.
»Was? Was will dir nicht in den Kopf, mein Freund?«
»Daß die Leute sich nicht mehr um Sitten und Gebräuche scheren.«
»Du meinst Schwester Marga, die auf Jagd geht, wenn ihr Abt nach seiner Ermordung gerade erst unter der Erde ist? Und sich kaltschnäuzig sein Pferd nimmt?«
»Das ist das eine, und jetzt noch Muirchertach Nár und seine Frau Aíbnat – steht unter Mordverdacht und macht einfach bei der Jagd mit.«
»Die Jagd sollte eine Zerstreuung für die Gäste sein. Keiner wird sich irgendwo absetzen, ehe der Fall nicht geklärt ist. Also kann man auch was für ihre Unterhaltung tun. Außerdem wird ein König unter den gegebenen Umständen sich wohl kaum der Rechtsprechung entziehen.«
Schweigend
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