Ein gefährlicher Plan
Seitenscheibe.
Jack starrte weiter mit unbewegter Miene geradeaus. Wie hatte Alyssa ihn gesehen? Was verbarg sich unter dieser undurchschaubaren Maske? Sie musterte ihn verstohlen.
Und auf einmal entdeckte sie in den scharf geschnittenen Zügen auch etwas anderes: Spuren von Wärme – ein Grübchen auf der Wange, Lachfältchen um die Augen ... ein Ohrläppchen, rund, glatt, das zum Küssen einlud ...
„Erzählen Sie mir von ihren Freunden", bat sie ihn rasch und drehte sich entschlossen zu ihm. Sie wollte sich nicht weiter mit Jack Chessmans weicheren Seiten befassen. „Ich meine, da Sie ja annehmen, dass einer von ihnen Alyssa umzubringen versuchte."
„Was wollen Sie wissen?"
„Genug, um sie ohne Vorstellung erkennen zu können."
„Warum? Gedächtnisverlust..."
„Wie Sie selbst sagten, das reicht nicht aus."
Er nickte kurz und schaute weiter auf die Straße. „Da ist Tim Hogart. Er ist Herausgeber der wöchentlich erscheinenden Lokalzeitung. Etwas über einen Meter achtzig. Kurzes blondes Haar. Blaue Augen. Brille."
„Das könnte jedermann sein. Wie ist er?" Ablenkung. Sie wollte nicht an Jack denken.
Konzentrier dich auf deine Fragen. Auf Alyssa. Das war besser, als die Gefühle zu analysieren, die ihr auf den Magen schlugen.
Er warf ihr einen Blick zu, runzelte die Stirn. „Wie meinen Sie das?"
„Wenn ich Sie bitten würde, mir einen Wagen zu beschreiben, bekäme ich garantiert dutzendweise Vergleiche und Details bis hinunter zur Radmutter."
Der Anflug eines Lächelns huschte über sein Gesicht, vertiefte das anziehende Grübchen.
„Stellen Sie sich einen der Typen für Calvin-Klein-Produkte vor. Glatt, eifrig, wenig redselig."
„Sehen Sie, es geht doch." Sie lächelte ebenfalls, und ihre Stimmung hob sich. „War es so schwer?"
Er brummte nur undeutlich etwas vor sich hin.
„Warum sollte Tim Alyssas Tod wollen?"
Jack zuckte mit den Schultern. „Sie nennt ihn immer Meister Proper."
„Ist er das?"
„Alyssa findet, er sieht aus wie ein Chorknabe. So rein und sauber. Vielleicht hat sie eine Dreckecke entdeckt. Ich werde nachforschen, aber das kostet Zeit."
„Könnte er...?"
„... versucht haben, sie umzubringen?"
Sie nickte.
„Unter den entsprechenden Umständen käme jeder infrage."
„Aber..."
„Ob etwas vorgefallen ist, das einen solchen Verdacht bestätigen würde?"
Sie nickte wieder und wusste nicht, ob es ihr gefiel, dass er ihre Fragen im Voraus erahnt hatte. War sie so leicht zu durchschauen?
„Nicht wirklich. Einmal musste ich ihn einbuchten."
„Was hatte er ange stellt?"
„Er hat einem Senatskandidaten eins auf die Nase gegeben, weil ihm dessen Ansichten nicht gefielen."
„Aber das ist noch lange kein Motiv für einen Mord." Brooke kaute auf ihrem Daumennagel.
„Mehr weiß ich im Moment auch nicht."
„Okay, lassen wir Tim vorerst außen vor. Wen gibt es noch?"
„Stephanie Cash ist Alyssas beste Freundin. Mittelgroß. Braunes Haar. Braune Augen. Sie arbeitet im Familiengeschäft. Propangasverleih. Sie hasst den Job, sieht aber keine Alternative. Sie möchte so brennend gern Mutter werden, dass man fast meint, ihre biologische Uhr ticken zu hören, wenn man neben ihr steht."
„Kein Mann in Sicht?"
„Keiner der Kandidaten hatte Lust, in Comfort zu bleiben, und Stephanie hängt an ihrer Heimatstadt. Sie liebt das Wandern und Bergsteigen und den heimischen Herd."
„Nicht schlecht beschrieben. Sie werden besser."
Er lachte leise, und es überraschte sie, dass sie ebenfalls lachen musste.
„Irgendwelche dunklen Flecken in ihrer Vergangenheit?" fragte sie dann.
„Nein. Alyssa und sie sind sich ziemlich ähnlich, nur dass Alyssa andere Erwartungen ans Leben hat. Für sie ist Comfort ein Gefängnis."
„Keine Streitereien, kein Kämpfe, keine Konkurrenz um Männer?"
„Nichts dergleichen."
„Keine Leichen im Keller?"
„Steph ist genau so, wie sie sich gibt. Vor dem Unglück hätte ich gesagt, sie wäre unfähig zu lügen."
„Und jetzt?"
Jack zuckte mit den Schultern. „Jetzt ist jeder verdächtig, bis das Gegenteil bewiesen ist."
„Diese Regel haben Sie nicht auf der Polizeischule gelernt."
Er warf ihr einen eindringlichen Blick zu. „Es gibt eine Menge Dinge, die sie einem dort nicht beibringen können."
Loyalität zum Beispiel. Oder Liebe, dachte sie unwillkürlich. Sie schluckte. „Der Nächste."
„Cullen Griswold hat ein Haus-und Grundstücksmaklerbüro im Ort. Keine einsachtzig groß. Braune Augen. Braunes Haar. Er ist..."
Weitere Kostenlose Bücher