Ein geschenkter Tag
Asterix-Banketts, Landwein im Kanister und Musik in voller Lautstärke.
Eine dicke Frau, in jede Menge Volants gehüllt, stürzte auf unseren kleinen Bruder zu:
»Ah! Da ist er ja! Komm mit, mein Kleiner, komm mit! Nono hat mir erzählt, dass du deine Familie mitbringst. Kommt hier rüber, alle Mann! Oh, und was sind sie chic! Was für ein schöner Hut! Aber so was Mageres wie diese Kleine hier! Gibt's denn in Paris nichts zu essen? Setzt euch. Esst, Kinder. Esst. Es gibt genug von allem. Sagt Gérard, er soll euch was zu trinken bringen. Gérard! Komm jetzt mal hier rüber, Junge!«
Vincent konnte sich vor ihren Küssen kaum retten, und ich begann zu vergleichen. Ich dachte an den Kontrast zwischen der Herzlichkeit dieser Fremden und der höflichen Verachtung meiner Großtanten vorhin. Ich glaubte zu spinnen ...
»Wollen wir nicht wenigstens die Braut begrüßen?«
»Ja, ja, sagt ihr guten Tag und seht zu, dass ihr Gérard findet. Wenn er bloß nicht schon unterm Tisch liegt, das wäre nicht gut.«
»Was ist das, dein Geschenk?«, fragte ich Simon. Er wusste es nicht.
Einer nach dem anderen umarmten wir die Braut.
Der Bräutigam war puterrot und bedachte die prächtige, von Carine ausgesuchte Käseplatte, die seine Frau gerade ausgepackt hatte, mit einem verdatterten Blick. Es handelte sich um ein ovales Teil mit Griffen aus Rebholz und Weinblättern in Plexiglas gegossen.
Er schien nicht überzeugt.
Wir setzten uns an ein Tischende, wo wir von zwei Onkeln, die schon reichlich beschwipst waren, mit offenen Armen empfangen wurden.
»Gé -rard! Gé-rard! Gé-rard! He, Kinder! Bringt unseren Freunden was zu essen! Gérard! Wo hat er sich denn bloß versteckt, Herrgottsakrament?«
Gérard kam mit seinem Kanister vorbei, und die Feier begann.
Nach dem Gemüseallerlei mit Mayonnaise in den obligatorischen Muschelschalen, dem Hammelspieß mit Pommes und Mayo, dem Ziegenkäse und den drei Stücken Baisertorte, rückten alle zur Seite, um Guy Macroux und seiner Oldie-Band Platz zu machen.
Wir waren selig. Die Ohren gespitzt, die Äuglein aufgesperrt. Rechts eröffnete die Braut mit ihrem Vater den Ball nach einem Walzer von Johann Strauß auf dem Akkordeon, links begannen die Onkel wegen der neuen Einbahnstraßenregelung vor der Bäckerei Pidoune zornig aufeinander einzuprügeln.
Äußerst malerisch, das Ganze.
Nein. Besser als das und weniger gönnerhaft gesagt: köstlich.
Guy Macroux hatte eine verblüffende Ähnlichkeit mit Dario Moreno.
Schmaler mit BilligColor gefärbter Schnurrbart, funkelnde Weste, wertvoller Schmuck und samtige Stimme.
Kaum erklang das Akkordeon, waren alle auf der Tanzfläche.
»Ce qui lui va, c'est un p'tit tchachacha. Ah!
Ce qui lui faut, c'est un pas de mambo. Oh!«
»Und jetzt alle zusammen!«
La la la la ...la la la la la ...
»Ich hör ja gar nichts!«
LA LA LA LA ... LA LA LA LA LA ...
»Und die Omis da hinten! Mädels, singt mit! Opidibi poipoi!«
Lola und ich waren wie entfesselt, und ich musste den Rock hochziehen, um im Rhythmus zu bleiben.
Die Jungs tanzten wie üblich nicht. Vincent seifte ein Mädchen mit milchig weißem Dekollete ein, und Simon hörte sich die Erinnerungen eines Alten an die verheerenden Folgen des Mehltau an.
Anschließend kamen die Hochzeitsspiele, die unter der Gürtellinie anfingen. Die junge Braut wurde mit einer Schubkarre auf einer Tischtennisplatte abgeladen und brachte ihren Rock schon entsprechend in Stellung - na ja -, der Rest ist nicht weiter erzählenswert. Oder vielleicht bin ich auch zu empfindlich.
Ich ging nach draußen. Paris begann mir zu fehlen.
Lola kam mir auf eine moonlight cigarette nach.
Ihr folgte ein etwas anhänglicher Typ (stark behaart und schweißglänzend, Stil selbstklebend), der unbedingt noch einen Tanz von ihr wollte.
Kurzärmeliges Hawaiihemd, Hose aus Viskosestoff, weiße Tennissocken und geflochtene Mokassins.
Umwerfend.
Und und und - beinahe hätte ich es vergessen: die berühmte Safariweste aus schwarzem Leder mit Brusttaschen! Drei links, zwei rechts. Plus Messer im Gürtel. Plus Handyhülle. Plus Ohrring. Plus Sunglasses. Plus die angekettete Brieftasche. Minus die Peitsche.
Indiana Jones persönlich.
»Stellst du mich vor?« »Äh - ja - also, äh - meine Schwester Garance und äh ...«
»Hast du schon vergessen, wie ich heiße?«
»Äh - Jean-Pierre?«
»Michel.«
»Ach ja, Michel! Michel Garance, Garance Michel ...«
»Hallo«,
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