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Ein Gesicht so schön und kalt

Ein Gesicht so schön und kalt

Titel: Ein Gesicht so schön und kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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lassen.«
»Was hat sie dir gesagt?«
    »Es geht darum, was sie mir nicht gesagt hat. Sie ist
ausgewichen. Sie hat mir zugehört und dann erklärt, sie hätte
einen Grund zu der Annahme, daß Dr. Smiths Zeugenaussage
falsch war. Sie hat zwar zugegeben, daß sie keinen konkreten
Grund zu der Annahme hat, daß Reardon nicht der Mörder war,
aber sie fand, es sei ihre Pflicht, der Möglichkeit nachzugehen,
daß vielleicht ein Fehlurteil gefällt worden ist.«
    Jonathans Gesicht lief vor Zorn hochrot an. »Grace, es gibt
eine Grenze, an der Kerrys Gerechtigkeitssinn allmählich
lächerlich wird. Gestern abend ist es mir gerade gelungen, den
Gouverneur dazu zu überreden, daß er damit abwartet, dem
Senat die Kandidatenliste für die Ernennung zum Richteramt
vorzulegen. Er war einverstanden.«
    »Jonathan!«
»Es war das einzige, was ich tun konnte, außer ihn gleich
darum zu bitten, daß er Kerrys Ernennung vorläufig zurückzieht.
Ich hatte keine andre Wahl. Grace, Prescott Marshall ist ein
hervorragender Gouverneur. Das weißt du ja. In der
Zusammenarbeit mit ihm konnte ich den Senat dahin bringen,
daß notwendige Reformen festgeschrieben werden, daß die
Steuerstruktur überholt wird und unser Staat wirtschaftlich
attraktiver dasteht, und außerdem den Senat zu einer Reform der
Sozialversicherung bewegen, die den Armen nichts wegnimmt,
aber die Trittbrettfahrer aufspürt. Ich will, daß Marshall nach
vier Jahren wieder im Amt ist. Ich bin kein großer Fan von
Frank Green, aber als Gouverneur ist er gut geeignet, den Sitz
warmzuhalten, und er wird das, was Marshall und ich erreicht
haben, nicht wieder rückgängig machen. Wenn dagegen Green
unterliegt und wenn dann die andere Partei zum Zuge kommt, so
wird man alles, was wir aufgebaut haben, wieder
auseinandernehmen.«
Die durch seinen Zorn hervorgerufene Anspannung wich
plötzlich wieder aus seiner Miene, und er wirkte auf Grace nur
sehr müde, und sie sah ihm jede Minute seiner zweiundsechzig
Jahre an.
»Ich lade Kerry und Robin für Sonntag zum Abendessen ein«,
erklärte Grace. »Das gibt dir noch eine Gelegenheit, sie zur
Vernunft zu bringen. Ich finde nicht, daß irgend jemand seine
Zukunft diesem Reardon opfern sollte.«
»Ich rufe sie heute abend an«, antwortete Jonathan.

44
    Genau um halb acht läutete Geoff Dorso an der Haustür und
wurde auch diesmal von Robin empfangen. Sie trug noch immer
ihr Hexenkostüm und die Schminke im Gesicht. Ihre
Augenbrauen waren dick kohlschwarz übermalt. Weiße
Puderpaste bedeckte außer an den Stellen, wo die Narben der
Schnittwunden Stirn und Wangen durchzogen, ihre Haut.
    Geoff sprang zurück. »Du hast mich erschreckt!«
»Prima«, sagte Robin begeistert. »Danke, daß Sie pünktlich
sind. Ich muß zu einer Party. Die fängt jetzt grade an, und es
gibt einen Preis für das schauerlichste Kostüm. Ich muß jetzt
weg.«
»Du gewinnst bestimmt haushoch«, sagte Geoff zu ihr, als er
ins Haus trat. Dann schnüffelte er. »Das riecht aber gut.«
»Mom macht Knoblauchbrot«, erklärte Robin und rief dann:
»Mom, Mr. Dorso ist da.«
Die Küche war hinten im Haus. Geoff lächelte, als die Tür
aufschwang und Kerry, die sich gerade die Hände an einem
Tuch abtrocknete, heraustrat. Sie hatte grüne lange Hosen an
und einen grünen Rollkragenpullover. Geoff konnte gar nicht
übersehen, wie das Oberlicht die goldenen Strähnen in ihrem
Haar und die Sommersprossen auf ihrer Nase hervorhoben.
Sie sieht wie ungefähr dreiundzwanzig aus, dachte er,
entdeckte dann aber, daß ihr warmes Lächeln die Besorgnis in
ihren Augen nicht verbergen konnte.
»Geoff, schön, daß Sie da sind. Gehen Sie doch rein und
machen Sie’s sich bequem. Ich muß Robin eben die Straße
runter zu einem Kinderfest bringen.«
»Lassen Sie das mich doch machen«, schlug Geoff vor. »Ich
habe noch meinen Mantel an.«
»Das ist wohl okay, denke ich«, erwiderte Kerry langsam,
während sie die Situation einschätzte, »aber Sie begleiten sie
auch bestimmt bis zur Haustür, ja? Ich meine, Sie machen nicht
einfach schon an der Einfahrt wieder kehrt.«
»Mom«, protestierte Robin, »ich hab’ keine Angst mehr.
Ehrlich.«
»Ich aber.«
Worum handelt’s sich da nur? wunderte sich Geoff. Er sagte:
»Kerry, alle meine Schwestern sind jünger als ich. Bis sie aufs
College kamen, war ich ewig damit beschäftigt, sie abzusetzen
oder abzuholen, und mir wäre es nicht im Traum eingefallen, sie
nicht genau dort sicher

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