Ein Gesicht so schön und kalt
das Abendessen auftrug.
Beim Essen entspannte sich Robin dann deutlich. »Hast du
heute in der Schule dein Mittagessen aufgegessen?« fragte
Kerry möglichst beiläufig und unterbrach damit endlich das
Schweigen. »Du hast offenbar Hunger.«
»Klar, Mom. Fast alles.«
»Ah, ja.«
Kerry dachte: Wie sehr sie mir doch ähnelt. Wenn sie etwas
bekümmert, macht sie es mit sich alleine ab. So ein reserviertes
Geschöpf.
Dann erklärte Robin: »Ich mag Geoff. Er ist prima.«
Geoff. Kerry schlug die Augen nieder und widmete sich dem
Zerschneiden ihres Hühnerfleischs. Sie wollte nicht an seine
spöttische, abweisende Bemerkung beim Abschied neulich
abends denken. Wiedersehn, Euer Ehren.
»Mmja«, antwortete sie und hoffte damit rüberzubringen, daß
Geoff in ihrem gemeinsamen Leben keine Rolle spielte.
»Wann kommt er denn wieder?« frage Robin.
Jetzt war Kerry mit einer ausweichenden Antwort an der
Reihe. »Ach, ich weiß nicht. Er kam wirklich bloß wegen einem
Fall, an dem er gerade arbeitet.«
Robin sah bekümmert aus. »Ich hätte Dad, glaub ich, nichts
davon erzählen sollen.«
»Was meinst du damit?«
»Also, er hat halt gesagt, wenn du ‘ne Richterin bist, dann
lernst du wahrscheinlich eine Menge Richter kennen und
heiratest irgendwann einen davon. Ich wollte ihm eigentlich gar
nichts von dir erzählen, aber ich hab’ gesagt, daß ein Anwalt, der
mir gefällt, neulich abends wegen einer geschäftlichen
Angelegenheit rüberkam, und Dad hat gefragt, wer’s war.«
»Und da hast du ihm gesagt, daß es Geoff Dorso war. Damit
hast du doch nichts falsch gemacht.«
»Ich weiß nicht. Dad sah so aus, als ob er sich über mich
aufregt. Wir hatten erst eine tolle Zeit, und plötzlich wurde er
ganz still und hat gesagt, ich soll meine Krabben aufessen. Es
war Ze it, heimzufahren.«
»Rob, Daddy ist es ganz egal, mit wem ich ausgehe, und
Geoff Dorso hat bestimmt nichts mit ihm oder irgendwelchen
Klienten von ihm zu tun. Daddy hat zur Zeit einen ganz
schwierigen Fall am Hals. Vielleicht hast du ihn ja eine Weile
davon abgelenkt, und dann, als das Essen fast vorbei war, mußte
er wieder daran denken.«
»Glaubst du das bestimmt?« fragte Robin mit vor Hoffnung
aufleuchtenden Augen.
»Ja, das glaube ich bestimmt«, erwiderte Kerry energisch.
»Du kennst mich doch, wie zerstreut ich bin, wenn ich einen
Fall vor Gericht habe.«
Robin fing zu lachen an. »Mensch ja, das kenne ich!«
Um neun Uhr schaute Kerry nach Robin, die im Bett saß und
las. »Licht aus«, erklärte sie unnachgiebig und ging zu ihr
hinüber, um sie zuzudecken.
»Ist gut«, sagte sie widerwillig. Während sich Robin unter die
Decke kuschelte, erklärte sie: »Mom, ich hab’ nachgedacht. Bloß
weil Geoff geschäftlich herkam, heißt das doch noch nicht, daß
wir ihn nicht wieder einladen können, oder? Er mag dich. Das
hab’ ich gemerkt.«
»Ach, Rob, er ist einfach einer von diesen Typen, die Leute
mögen, aber er ist bestimmt nicht besonders an mir interessiert.«
»Cassie und Courtney haben ihn gesehen, als er mich abholen
kam. Sie finden ihn süß.«
Ich auch, dachte Kerry, als sie das Licht ausmachte.
Während sie nach unten ging, nahm sie sich die unangenehme
Aufgabe vor, ihr Haushaltsbuch auf den letzten Stand zu
bringen. Doch als sie zu ihrem Schreibtisch kam, blickte sie
lange auf die Reardon-Akte, die Joe Palumbo ihr gestern
gebracht hatte. Dann schüttelte sie den Kopf. Vergiß es,
ermahnte sie sich. Halt dich da raus.
Aber es konnte ja nicht schaden, nur mal eben
hineinzuschauen, überlegte sie. Sie griff nach der Akte, trug sie
zu ihrem Lieblingssessel, deponierte sie auf dem Sitzpols ter zu
ihren Füßen, schlug sie auf und nahm den ersten Stapel
Unterlagen heraus.
Der Bericht zeigte, daß der Anruf um 0 Uhr 20 eingegangen
war. Skip Reardon hatte die Vermittlung angerufen und auf die
Frau vom Amt eingeschrien, sie solle ihn mit der Polizei von
Alpine verbinden. »Meine Frau ist tot, meine Frau ist tot«, hatte
er wieder und wieder gerufen. Die Polizeibeamten berichteten,
sie hätten ihn vorgefunden, wie er neben ihr kniete und
schluchzte. Er informierte sie, er habe sofort, als er ins Haus
kam, gewußt, daß sie tot war, und sie nicht angerührt. Die Vase,
in der die Sweetheart-Rosen gesteckt hatten, war umgekippt.
Die Rosen lagen über die Leiche verstreut da.
Am folgenden Morgen, im Beisein seiner Mutter, behauptete
Skip Reardon dann, es fehle eine Diamantbrosche. Er erklärte,
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