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Ein Gesicht so schön und kalt

Ein Gesicht so schön und kalt

Titel: Ein Gesicht so schön und kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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die, als er im Apartment aus
dem Wohnzimmer ins Schlafzimmer gewatschelt war, seine
Schmusedecke durch die Gitterstäbe seines Kinderbetts
herausgezogen und sich hineingewickelt hatte und auf dem
Boden unter dem Bettchen eingeschlafen war.
Sie hatte ihn im Wohnzimmer allein gelassen, als sie mit der
Zubereitung des Abendessens begann, und war dann, als sie ihn
nicht finden konnte, durch das winzige Apartment gerast, hatte
voller Angst, er wäre hinausgelaufen, ja, hätte sich vielleicht
verirrt, nach ihm geschrien. Jetzt eben hatte Deidre das gleiche
Gefühl. Nun ging Skip auf andere Weise in die Irre.
Unwillkürlich streckte sie die Hand aus und berührte die
Glasscheibe. Sie wollte ihn umarmen, diesen wunderbaren,
guten Mann, der ihr Sohn war. Sie wollte ihm sagen, er solle
sich doch nicht ängstigen, es würde schon alles wieder gut
werden, genauso, wie sie es vor langer Zeit getan hatte, wenn
ihm etwas weh tat. Jetzt wußte sie, was sie sagen mußte.
»Skip, ich will dich nicht so reden hören. Du kannst nicht
entscheiden, daß Beth dich nicht mehr lieben soll, denn sie liebt
dich nun mal. Und ich geh jetzt und red mit dieser Kerry
McGrath. Es muß einen Grund geben, warum sie dich überhaupt
besuchen kam. Staatsanwälte schauen nicht nur mal eben so bei
Strafgefangenen vorbei. Ich werde herausfinden, weshalb sie
sich für dich interessiert hat, und warum sie sich jetzt von dir
abwendet. Aber du mußt mithelfen; wag es bloß nicht, mich mit
solchem Gerede hängenzulassen.«
Die Besuchszeit war viel zu schnell vorbei. Deidre gelang es,
erst zu weinen, nachdem der Wärter Skip weggeführt hatte.
Dann tupfte sie sich vehement die Augen ab. Mit energisch
zusammengepreßten Lippen stand sie auf, wartete noch ab, bis
das Stechen in ihrer Brust nachließ, und ging dann rasch davon.

49
    Es fühlt sich richtig nach November an, dachte Barbara
Tompkins, als sie von ihrem Büro an der Sixtyeighth Street
Ecke Madison Avenue die zehn Blocks bis zu ihrer Wohnung an
der Sixtyfirst Ecke Third Avenue hinunterlief. Sie hätte einen
dickeren Mantel anziehen sollen. Aber was bedeutete schon
diese kurzfristige Unbehaglichkeit, wenn sie sich ansonsten so
gut fühlte.
    Es gab keinen Tag, an dem sie nicht voller Freude über das
Wunder war, das Dr. Smith an ihr bewerkstelligt hatte. Es schien
nicht vorstellbar, daß sie noch vor weniger als zwei Jahren in
einem miesen P.R.-Job in Albany festgesessen hatte, mit der
Aufgabe, für kleine Kosmetikkunden Erwähnungen bei
Zeitschriften zu ergattern.
    Nancy Pierce war eine der wenigen Kundinnen gewesen, mit
denen sie gern zu tun gehabt hatte. Nancy machte immer Witze
darüber, sie sei das häßliche Entlein mit einem totalen
Minderwertigkeitskomplex, weil sie mit phantastisch
aussehenden Models zusammenarbeitete. Dann aber machte
Nancy einen ausgedehnten Urlaub, und als sie wiederkam, sah
sie wie eine Million Dollar aus. Frei heraus und sogar stolz
verkündete sie aller Welt, sie habe sich einer
gesichtschirurgischen Behandlung unterzogen.
    »Hör’n Sie mal«, hatte sie erklärt. »Meine Schwester hat das
Gesicht einer Miss Amerika, aber sie muß ständig gegen ihr
Gewicht ankämpfen. Sie sagt, daß ein schlankes Mädchen in ihr
drinsteckt, das versucht, sich nach draußen durchzuboxen. Ich
hab’ mir immer gesagt, daß in mir ein außerordentlich hübsches
Mädchen drinsteckt, das versucht, sich nach draußen
durchzuboxen. Meine Schwester ist zum Klub der Goldenen Tür
gegangen. Ich bin zu Dr. Smith gegangen.«
    Bei Nancys Anblick und angesichts ihrer neuen Gelassenheit
und Zuversicht hatte Barbara sich versprochen: »Wenn ich je zu
Geld komme, gehe ich auch zu dem Arzt.« Und dann war die
liebe alte Großtante Betty im Alter von siebenundachtzig Jahren
zu ihrem Schöpfer gerufen worden und hinterließ Barbara 35000
Dollar mit der Anweisung, sie solle sich damit amüsieren und
eine gute Zeit gönnen.
    Barbara dachte wieder an ihren ersten Besuch bei Dr. Smith
zurück. Er hatte das Zimmer betreten, wo sie auf der Kante der
Untersuchungsliege saß. Er gebärdete sich kalt, ja fast
furchterregend. »Was wünschen Sie?« fuhr er sie an.
    »Ich möchte wissen, ob Sie mich hübsch machen können«,
hatte Barbara etwas zögernd zu ihm gesagt. Dann hatte sie all
ihren Mut zusammengenommen und sich verbessert: »Sehr
hübsch.«
    Ohne ein Wort hatte er vor ihr gestanden, ein starkes Licht auf
sie gerichtet, ihr Kinn in der Hand

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