Ein Gesicht so schön und kalt
Barbaras Persönlichkeit mit der Zeit
noch ihre Schönheit, je mehr sie sich daran gewöhnte. Er dachte
wieder an das mißmutige, unscheinbare Geschöpf, das in seiner
Praxis erschienen war; innerhalb eines Jahres nach der
Operation hatte Suzanne den äußeren Wandel mit einer völligen
Veränderung ihrer Persönlichkeit ergänzt.
Smith lächelte leicht bei der Erinnerung an Suzannes
provokative Körpersprache, an die subtilen Bewegungen, die
jeden Mann veranlaßten, sich nach ihr umzudrehen. Dann hatte
sie begonnen, ihren Kopf ein klein wenig zu neigen, so daß
jeder, mit dem sie gerade sprach, das Gefühl bekam, der einzige
Mensch im ganzen Universum zu sein.
Sie hatte sogar den Ton ihrer Stimme gesenkt, bis sie eine
rauhe, intime Färbung annahm. Wie zum Spaß ließ sie dann eine
Fingerspitze über die Hand des Mannes gleiten - und es war
stets ein Mann -, der sich gerade mit ihr unterhielt.
Als er sie einmal auf die Persönlichkeitsveränderung
ansprach, die sie durchlaufen hatte, war ihre Antwort gewesen:
»Ich hatte zwei gute Lehrerinnen, meine Stiefschwestern. Wir
haben das Märchen auf den Kopf gestellt. Sie waren die
Schönheiten, und ich war das häßliche Aschenputtel. Nur habe
ich statt einer guten Fee dich.«
Gegen Ende jedoch hatte sich seine Pygmalion-Phantasie
allmählich in einen Alptraum verwandelt. Die Hochachtung und
Zuneigung, die sie für ihn zu empfinden schien, hatten im
gleichen Maß abgenommen. Sie schien nicht mehr bereit dazu
zu sein, auf seinen Rat zu hören. Gegen Ende war sie über
einfaches Flirten hinausgegangen. Wie oft hatte er sie davor
gewarnt, daß sie mit dem Feuer spielte, daß Skip Reardon zu
einem Mord fähig sein würde, wenn er herausfand, was sie
hinter seinem Rücken trieb?
Jeder Mann mit einer so begehrenswerten Frau wäre zu einem
Mord fähig, dachte Dr. Smith.
Mit einem Ruck blickte er zornig auf sein leeres Glas hinab.
Jetzt würde es also keine Chance mehr geben, die
Vollkommenheit zu erzielen, die er bei Suzanne erreicht hatte.
Er mußte das Operieren aufgeben, bevor eine Katastrophe
geschah. Es war zu spät. Er wußte, daß er im Anfangsstadium
der Parkinsonschen Krankheit steckte.
Auch wenn Barbara nicht Suzanne war, so war sie doch unter
all seinen Patientinnen, die noch am Leben waren, das
schlagendste Beispiel für sein Genie. Er griff nach dem Telefon.
Als sie den Hörer abnahm und hallo sagte, dachte er: Das
konnte doch nicht etwa Anspannung sein, was ich da in ihrer
Stimme gehört habe.
»Barbara, meine Liebe, stimmt etwas nicht? Hier spricht Dr.
Smith.«
Sie schnappte erschrocken nach Luft, doch dann sagte sie
schnell: »O nein, natürlich nicht. Wie geht es Ihnen denn, Dr.
Smith?«
»Mir geht’s gut, aber ich glaube, Sie könnten mir einen
Gefallen tun. Ich fahre eben kurz zum Lenox Hill Hospital, um
einen alten Freund von mir zu besuchen, der todkrank ist, und
ich weiß, daß ich danach ein wenig deprimiert bin. Würden Sie
sich meiner erbarmen und mit mir zu Abend essen? Ich könnte
Sie gegen halb acht abholen.«
»Ich - ich weiß nicht…«
»Bitte, Barbara.« Er versuchte einen verspielten Tonfall
anzuschlagen. »Sie haben doch gesagt, daß Sie mir ein neues
Leben verdanken. Warum mir dann nicht zwei Stunden davon
gewähren?«
»Natürlich.«
»Wunderbar. Also, bis halb acht.«
»In Ordnung, Dr. Smith.«
Nachdem Smith aufgelegt hatte, runzelte er zweifelnd die
Stirn. Klang da nicht etwas wie Resignation in Barbaras Stimme
mit? fragte er sich. Sie machte fast den Eindruck, als hätte er sie
zu der Verabredung mit ihm gezwungen.
Sollte das zutreffen, dann war das ein weiterer Punkt, in dem
sie Suzanne zu ähneln begann.
57
Jason Arnott wurde einfach das Gefühl nicht los, daß etwas
nicht stimmte. Er hatte den ganzen Tag in New York mit der
zweiundfünfzigjährigen Vera Shelby Todd verbracht, die ihn auf
ihrer endlosen Suche nach Perserteppichen ins Schlepptau
genommen hatte.
Vera hatte ihn morgens angerufen und sich erkundigt, ob er
den Tag für sie erübrigen könne. Vera war eine Shelby aus
Rhode Island, wohnte in einem der prächtigen Herrenhäuser in
Tuxedo Park und war daran gewöhnt, ihren Willen
durchzusetzen. Nach dem Tod ihres ersten Mannes hatte sie
Stuart Todd geheiratet, aber beschlossen, die Villa in Tuxedo
Park zu behalten. Inzwischen bediente sich Vera häufig des
untrüglichen Auges von Jason für seltene Kostbarkeiten und
Gelegenheitskäufe, wobei sie freien
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